Kirsten Küppers über ein ungewöhnliches Neujahrsfest

Ottobrunn leuchtet im Roten Sommerwind

Als der elegante Asiat im grauen Anzug vorne am Mikrofon steht und seine Grußworte an die Festgäste richtet, als die Musik spielt und alle ihr Gläschen Pflaumenwein erheben, sitzt Christel Bachleitner froh in einer Ecke des Festzelts und wischt sich die Hände an ihrer Schürze ab. Sie guckt auf die Papierblumen, auf die bunten Blütengirlanden, das Büfett mit der indonesischen Reistafel, ihr Fuß wippt leise im Takt der fremden Melodie. Am schüchternen Lächeln im Mundwinkel kann man sehen, dass Christel Bachleitner zufrieden ist mit dem, was sie sieht: Die wochenlange Anstrengung hat sich gelohnt, es ist gelungen. Die 47-jährige bayrische Geräteelektronikerin hat es tatsächlich geschafft, ein tristes Ottobrunner Werksgelände in eine asiatische Frühlingslandschaft zu verwandeln.

Mit dem traditionellen sulawesischen Neujahrsfest feiert die Belegschaft der bayrischen Niederlassung des indonesischen Nähmaschinenwerks Simchoon (zu Deutsch: „Roter Sommerwind“) auch die erfolgreiche Sanierung ihres Standorts. Sieben Jahre lang hatte die bayrische Staatsregierung händeringend nach einen Käufer für den maroden Ottobrunner Rüstungshersteller EADS (European Aeronautic Defence and Space Company) gesucht. Im Mai vorigen Jahres hatte schließlich der Nähmaschinenriese Simchoon aus Jakarta den defizitären Betrieb für einen symbolischen Kaufpreis von 1 Euro erworben. Seither läuft im Münchner Vorort statt schwerer Waffensysteme filigrane Nähmaschinentechnik vom Band. „Mr. Suoporno ist das Beste, was uns passieren konnte“, jubelte nun auch Sigmund Hintergibl, Sprecher des bayrischen Wirtschaftsministeriums, gestern bei den Feierlichkeiten im Festzelt.

Tatsächlich verlief die Sanierung des angeschlagenen Unternehmens, das zuletzt Verluste von über 29 Milliarden Euro angehäuft hatte, entgegen anfänglichen Befürchtungen ohne große Schwierigkeiten. Im Auftrag von Konzernchef Ade Suoporno investierten die Indonesier 37 Millionen in das Werk, 110 von ehemals 3.000 Arbeitsplätzen konnten gerettet werden. „Die größte Schwierigkeit bestand nicht in der Umstellung der Produktion, sondern in der Motivation der Beschäftigten“, resümierte Franz Gegenhuber, Chief Executive Operator bei Simcoon, gestern bei Soto-Ayam-Suppe und Nasi Goreng. „Ein Konstrukteur von Kampfjets ist es natürlich nicht gewohnt, auf einmal Nähmaschinenpedale zu entwickeln.“

Für die Indonesier war Deutschland vor allem durch die niedrigen Löhne attraktiv geworden. „Eine Arbeitsstunde kostet in Asien inzwischen das Dreifache“, erklärte Gegenhuber das Engagement des Konzerns. Trotzdem ist die Firmenzentrale in Jakarta in besonderem Maße um ein freundliches Verhältnis zu den bayrischen Kollegen bemüht. Jeder Arbeitstag beginnt mit einer Liveschaltung nach Indonesien. Über einen riesenhaften Monitor begrüßen sich die Kollegen gegenseitig mit der sulawesischen Formel: „Shirinikopolo Thuarphu!“, einer Floskel, die den Bayern zunächst nicht ganz locker von der Zunge ging.

Zur Identifikation mit der weltweiten Samchoon-Familie wurden die Ottobrunner mit rosafarbenen Simchoon-Overalls ausgestattet, außerdem wurde eine neue Kantine eröffnet. Mittags können die Mitarbeiter seither aus einer breiten Palette exquisiter indonesischer Gerichte auswählen „Anfangs waren die Teigtascherl und Suppen no a bisserl g’wöhnungsbedürftig“, meint Christel Bachleitner. Inzwischen kocht die Geräteelektronikerin manche Speisen am Wochenende auch schon mal zu Hause nach.

Bei so viel Eintracht sollte das seit Monaten anberaumte Neujahrsfest natürlich ein Erfolg werden. In Sulawesi, der Heimat von Konzernchef Ade Suoporno, werden zu diesem Anlass Straßen und Plätze mit aufwendigen Laserinstallationen, Lichtgirlanden und elektronischem Spielzeug geschmückt, überdimensionale Videoleinwände bringen die neuesten Musikvideos zu den Massen. Derlei Aufwand ist angesichts der bescheidenen Verhältnisse in Ottobrunn schwer zu reproduzieren. Aber Christel Bachleitner schaffte es als Leiterin des Festkomitees immerhin, ein rustikales bayrisches Bierzelt zu einer veritablen Frühlingslandschaft zu dekorieren. Wochenlang übte sie mit jüngeren Kollegen sulawesische Schautanztechniken ein, die Bierbänke wurden mit Jasminblüten bestreut, für die Musikbeschallung konnte ein renommierter balinesischer Instrumentengroßhandel als Sponsor gewonnen werden.

Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Auf der Bühne wurden Festreden gehalten, das indonesische Bali-Hai-Bier floss in Strömen, die Tai-Chi-Gruppe der Schülersportvereins Ottobrunn führte Meditationstechniken vor. Großes Gelächter brach aus, als Betriebsratsvorsitzender Erwin Reitmoser sich gleich zu Beginn der Veranstaltung mit einem zünftigen Liter Erdnusssoße bekleckerte. „Mir san a große Familie“, witzelte Reitmoser, als er Konzernchef Suoporno danach überschwänglich um den Hals fiel. Eine Geste, die auch beim sonst eher zurückhaltenden Firmenboss gut anzukommen schien. Am Abend zog dieser nämlich noch überraschend einen Scheck über 50.000 Euro aus der Aktentasche. Das Geld soll an die Hilfsorganisation „Bayrische Kinder in Not“ gehen. Ein anwesender Vertreter der Organisation, ein älterer Mann in abgetragener Jogginghose, erklärte sichtlich gerührt: „Ich bin sehr dankbar, wir können hier wirklich jeden Cent gebrauchen!“