Kein Trinkwasser mehr unterm Kiel

Kieler Stadtwerke samt Wasserversorgung werden von insolventem Mehrheitseigner weiterverkauft. Die Stadt muss der Transaktion zuschauen, weil sie bei Privatisierung auf Mitsprache verzichtete. Bündnis protestiert gegen Trinkwasser als Ware

aus kieltimm schröder

Als die acht Mitglieder der attac-Gruppe „Bündnis Kielwasser“ gestern vor der Kieler Ratsversammlung ihre Liste mit 1.200 Unterschriften überreichten, die eine Rekommunalisierung der Stadtwerke fordern, war sogar die Polizei angerückt. Stadtpräsident Arne Wulff hatte „vorsichtshalber“ ein Aufgebot von etwa zwanzig Polizisten bestellt – die sich aber schnell wieder sinnvollen Aufgaben widmen durften. Die Protestierer übergaben ihre Unterschriften und verteilten Flugblätter. Für die sich allerdings keines der Ratsmitglieder so recht interessierte.

Der Grund für das Desinteresse dürfte sein, dass die Mehrheit der Stadtwerke nicht zum ersten Mal verkauft wird. Das passierte schon Anfang 2001, als 51 Prozent am kommunalen Versorger für 225 Millionen Euro aus Geldnot von der Stadt an das amerikanische Unternehmen Texas Utilities (TXU) veräußert wurde. Als aber vor knapp einem Jahr bekannt wurde, dass der europäische Ableger der TXU insolvent ist – und die Stadtwerke-Beteiligung deshalb erneut zum Verkauf stehe – wurde das „Bündnis Kielwasser“ aktiv. Immerhin hatten die Initiatoren des Bündnisses, Daniela Grant und Doris Kramer, schon viel von privaten Wasserversorgern gehört.

Zum Beispiel England: Dort, erzählt Grant, habe ein privates Unternehmen fast eine Woche gebraucht, um einen Rohrbruch zu beseitigen – die Bevölkerung musste per Tankwagen mit Wasser versorgt werden. Ähnliche Zustände fürchtet das Bündnis nun auch für Kiel. Denn seit dem Einstieg von TXU, so argumentieren die attac-Mitglieder, wurde das 950 Kilometer lange Wasser-Leitungsnetz vernachlässigt: „Die Versorgungssicherheit ist bei privaten Betreibern nicht gewährleistet“, sagt Grant.

Bei den Stadtwerken sieht man das naturgemäß anders. Die „Behauptungen entbehren jeder Grundlage“, sagt Pressesprecher Wolfgang Podolske. Sein Unternehmen habe im vorigen Jahr 2,5 Millionen Euro in die Trinkwasserversorgung investiert. Das Bündnis aber hat herausgefunden, dass vier Kieler Tiefbaufirmen Stellen abbauten, weil die Aufträge von den Stadtwerken weniger wurden.

In Anbetracht solcher Umstände sehen auch die Fraktionen im Kieler Rathaus den Weiterverkauf der Stadtwerke-Anteile kritisch – der Ratsversammlung aber sind die Hände gebunden. „Ich wäre schon beim ersten Verkauf dafür gewesen, die Wasserversorgung herauszulösen“, sagt etwa der wirtschaftspolitische Sprecher der oppositionellen SPD-Fraktion, Jürgen Hahn. Leider aber sehe die rechtliche Situation anders aus. Der Stadt Kiel nämlich bleibe nur, beim Verkauf der Anteile „Präferenzen zu äußern“ – wer aber neuer Mehrheitsgesellschafter wird, entscheidet allein der Insolvenzverwalter der TXU. Angebote gibt es bis jetzt von vier Unternehmen, darunter zwei Versorgungsunternehmen und zwei Finanzdienstleister.

Um die Lage der Stadt weiß auch der grüne Fraktionsgeschäftsführer Michael Schlickwei, der das Bündnis Kielwasser zwar zu einer Diskussion einlud, aber auch sagt: „Die Frage ist, welche Möglichkeiten wir bei den Stadtwerken haben.“ Ähnlich sieht es der Grünen-Koalitionspartner CDU, deren Fraktionsvorsitzender Hein-Peter Weyer das Anliegen des Bündnisses zwar „verstehen“ kann, die Initiative aber für „ziemlich aussichtslos“ hält. Immerhin habe die mit 323 Millionen Euro verschuldete Stadt Kiel gar kein Geld, um Anteile zurückzukaufen – selbst wenn sie wollte.