Liberias Milizen sollen die Waffen abgeben

Heute startet die größte UN-Mission der Welt ein Demobilisierungsprogramm für über 40.000 Bürgerkriegskämpfer

BERLIN taz ■ In Liberia soll heute die Entwaffnung von Bürgerkriegskämpfern beginnen. UN-Blauhelme werden im zentralliberianischen Gbarnga ein Lager eröffnen, in dem sich die ersten von schätzungsweise 40.000 bis 60.000 Kriegern des verwüsteten westafrikanischen Landes zwecks Demobilisierung sammeln können. Weitere Lager folgen. Die Wiedereingliederung von Milizionären und Soldaten ins zivile Leben soll, wie UN-Sonderbeauftragter Jacques Klein letzten Samstag meinte, Liberias „Wiederauferstehung“ einleiten.

Liberia ist faktisch ein UN-Protektorat, seit am 18. August 2003 ein mehrjähriger Krieg zwischen dem damaligen Präsidenten Charles Taylor und Rebellengruppen mit einem Friedensabkommen zu Ende ging und im Oktober eine Übergangsregierung unter Übergangspräsident Gyude Bryant in der Hauptstadt Monrovia eingesetzt wurde. Die Übergangsregierung hat keine Armee, sondern steht unter dem Schutz von knapp 14.000 Blauhelmen, der größten UN-Truppe der Welt. Die bisherigen Bürgerkriegsparteien – Kämpfer des mittlerweile exilierten Taylor sowie der Rebellenbewegungen Lurd (Vereinigte Liberianer für Versöhnung und Demokratie) im Norden und Model (Bewegung für Demokratie in Liberia) im Osten des Landes sind alle an der Regierung beteiligt, und zugleich sind ihre Bürgerkriegsarmeen noch intakt. Dies ist ein Grund zur Sorge in der gesamten Region, da Liberia ein Nettoexporteur von Bürgerkriegskämpfern in andere Länder Westafrikas ist und die liberianischen Krieger zu Hause im Frieden weder genug zu tun noch genug zu essen haben.

Erst am vergangenen Donnerstag überfielen 150 Kämpfer der Lurd Büros mehrerer Hilfswerke in Gbarnga und plünderten sie aus. Eine Woche vorher hielten 300 Lurd-Milizionäre auf der Hauptstraße von Monrovia nach Gbarnga zahlreiche Autos an und beraubten die Insassen. Aus dem Südosten Liberias berichtete die exilliberianische Zeitung The Perspective kürzlich: „Männer werden angeblich täglich als Träger zwangsrekrutiert und zuweilen ausgepeitscht. Die Kämpfer sollen Frauen vergewaltigen und auf Reisfarmen eigenmächtig die Ernte einfahren.“

Ein erster Versuch eines UN-Demobilisierungsprogramms war im Dezember in Monrovia spektakulär gescheitert. 12.000 Kämpfer, zumeist ehemalige Taylor-Soldaten, überrannten das einzige Demobilisierungslager und begannen einen Aufstand, als sie statt der erwarteten 300 US-Dollar Entschädigung für die Abgabe einer Waffe nur 75 erhielten. Nach der Entwaffnung von 12.764 Kämpfern stoppte die UNO das Programm wieder.

Nun ist die Demobilisierung besser vorbereitet. Damit nichts schief geht, bekommen demobilisierungswillige Bürgerkriegskämpfer diesmal kein Geld, wenn sie ihre Gewehre einreichen. Sie melden sich bei der UN-Mission, werden in ein Entwaffnungslager und von dort aus nach Abgabe ihrer Waffen in ein Demobilisierungslager gebracht. Dort werden sie versorgt, registriert und nach ihren Wiedereingliederungswünschen befragt, und nach frühestens einer Woche erhalten sie je 150 Dollar Starthilfe und dürfen gehen. Bei geglückter Eingliederung in die Gesellschaft gibt es drei Monate später noch einmal 150 Dollar.

Das Modell ist schön, hat aber Schwachpunkte, die außerhalb der Kontrolle der UNO liegen. Zum einen liegt Liberias Wirtschaft noch immer am Boden, und ein Neustart als Zivilist ist nicht einfach. Zum anderen haben die Kriegsparteien noch immer nicht gesagt, wie viele Kämpfer sie eigentlich haben und wo sie sind. So könnten auch dann, wenn sich über 40.000 Bewaffnete in den UN-Lagern einfinden, zehntausende weitere irgendwo stationiert bleiben – als Lebensversicherung der Warlords. DOMINIC JOHNSON