Opium fürs Volk

Nordkoreas Diktator soll ein Dealer sein. Die Indizien für Pjöngjangs Beteiligung am Drogenhandel häufen sich

SEOUL taz ■ Hält Nordkoreas Regime sich und sein heruntergewirtschaftetes Land mit Drogenhandel am Leben? Vermutungen, dass Nordkorea außer vom Raketen- und Waffenexport sowie der mutmaßlichen Produktion von Falschgeld auch vom Drogenhandel lebt, gibt es seit Jahren. Doch in letzter Zeit häufen sich die Indizien. So fand Australiens Polizei am 27. Mai weitere 75 Kilogramm Heroin, die Teil der Ladung des im April vor der südostaustralischen Küste aufgebrachten nordkoreanischen Frachters „Pong Su“ gewesen sind.

Das Schiff hatte Heroin im Straßenverkaufswert von umgerechnet 122 Millionen Euro an Bord. Unter den verhafteten 30 Crewmitgliedern war auch ein Kader der nordkoreanischen Arbeiterpartei, was die Behörden zur Vermutung veranlasst, Nordkoreas Regierung sei direkt in den Drogenhandel involviert gewesen. Dies führte zu diplomatischen Verstimmungen zwischen Canberra und Pjöngjang.

Nach Angaben nordkoreanischer Flüchtlinge soll der 1994 verstorbene Diktator Kim Il Sung in den 70er-Jahren persönlich den Anbau von Schlafmohn angeordnet haben. Zwei Flüchtlinge sagten am 20. Mai dazu vor dem US-Senat aus. Nach Angaben der einst hohen Staatskader habe der jetzige Machthaber und Sohn Kim Il Sungs, Kim Jong Il, 1997 angeordnet, dass alle Landkooperativen Schlafmohn anbauen müssen. Das daraus gewonnene Rohopium werde in Pharmafabriken in der Nanam-Region und in der östlichen Hafenstadt Chongjin unter Aufsicht thailändischer „Experten“ zu Heroin verarbeitet.

Da nordkoreanisches Heroin wegen der schlechten natürlichen Anbaubedingungen von minderer Qualität ist und nur den Ansprüchen des chinesischen, russischen und südkoreanischen Marktes genügt, scheint Pjöngjang auch in den Handel mit Heroin aus Birma und Thailand eingestiegen zu sein. Die in Australien sichergestellten Drogen sollen jedenfalls von exzellenter Qualität gewesen sein.

Neben Heroin soll Nordkorea auch tonnenweise Amphetamine produzieren und diese in Japan, China, Russland und Taiwan vertreiben. Wenn man den Aussagen vor dem US-Senat Glauben schenken kann, dann produziert Nordkorea monatlich eine Tonne der chemischen Drogen. Nach japanischen Angaben wurden in einem nordkoreanischen Schiff, das 2001 von Japans Küstenwache versenkt wurde, große Mengen dieser Drogen gefunden. Nordkorea soll beim Drogenhandel mit der japanischen Yakuza und den chinesischen Triaden, den fernöstlichen Mafiagruppen, zusammenarbeiten.

Bereits 1976 wurde in Ägypten ein nordkoreanischer Diplomat mit über 400 Kilogramm Haschisch erwischt. Seitdem wurden nach Medienberichten in 20 Ländern mindestens 50 Nordkoreaner in Zusammenhang mit Drogendelikten verhaftet. Pjöngjang dementiert immer Berichte über diese Vorgänge und behauptet, darüber keine Kenntnis zu haben. Es ist aber nahezu ausgeschlossen, dass hochrangige Mitglieder der Staats- und Parteiführung in solche Geschäfte privat verwickelt sind. Denn ihnen dürfte klar sein, dass solche Aktivitäten hinter dem Rücken des „Geliebten Führers“ ihr Todesurteil bedeuten.

Nordkoreas Ökonomie stagniert seit über zehn Jahren. Seit Mitte der 90er-Jahre ist sie komplett ruiniert. Die legalen Exporte decken den Devisenbedarf nur zum geringen Teil. Südkoreanische Experten schätzen Nordkoreas jährliche Exporterlöse auf 750 Millionen Dollar. Hinzu kommen bis zu 500 Millionen Dollar aus dem Drogenhandel.

CHRISTIAN KARL