AUSBILDUNGSUMLAGE: DIE KOALITION ZITTERT VOR DEN EIGENEN KONZEPTEN
: Die SPD fürchtet den Praxistest

Bei der Ausbildungsumlage, die der SPD eigentlich neuen sozialpolitischen Glanz verleihen sollte, verstrickt sich die rot-grüne Regierung in immer neue Widersprüche. Selten haben sich Mitglieder von Kabinett und Fraktion derart scharf von den eigenen Gesetzesvorhaben distanziert. SPD-Chef Franz Müntefering, bislang glühender Verfechter einer staatlichen Regulierung des Ausbildungsmarkts, wirbt geradezu händeringend darum, dass das Gesetz nicht zur Anwendung kommt; die grüne Fraktionschefin Göring-Eckardt nennt den Vorschlag nach nicht enden wollender Diskussion noch nicht ausgereift.

Je näher die Verabschiedung des Gesetzes rückt, umso mehr wächst die Angst davor, dass die Kritiker der Umlage Recht behalten könnten – also das Ausbildungsgesetz in erster Linie der Beruhigung der SPD-Linken und der Gewerkschaften dient und nur aus diesem Grund um jeden Preis beschlossen werden muss. Was die tatsächliche Wirkung des Gesetzes angeht, hat Rot-Grün dagegen erkennbar Angst vor der eigenen Courage. Nachdem sich die Sozialdemokraten aber bereits vollmundig festgelegt haben, wollen sie sich nun offenbar durch die Hintertür einer „konzertierten Aktion“ von der Ausbildungsumlage verabschieden – und hoffen jetzt wieder auf jene Selbstverpflichtungen der Arbeitgeber, die sie als unwirksam verworfen haben.

Dabei stellt die Ausbildungsumlage für die Sozialdemokraten eigentlich ein höchst interessantes wirtschaftspolitisches Experiment dar, könnten sie doch mit ihr den Nachweis antreten, dass der Staat sinnvoll eingreifen kann, wenn der Markt versagt – also für das Grundanliegen sozialdemokratischer Politik werben. Die Tatsache, dass SPD und Grüne nicht einmal mehr selbst einen solchen Erfolg für vorstellbar halten, wird allerdings niemanden von ihren politischen Konzepten überzeugen. Die rot-grüne Regierungskoalition sollte sich endlich entscheiden, ob sie ihre eigenen Gesetzentwürfe für richtig oder für falsch hält – und dann entsprechend handeln. Mit ihrer Unentschlossenheit wird sie niemanden für sich einnehmen können. ANDREAS SPANNBAUER