Alles außer Alpenglühen

Mehr als nur über Berge und Seen sprechen: „Natürlich die Schweizer!“ – in der „langen Nacht der jungen Schweizer Autoren“ lesen einige von ihnen im Literaturhaus. Übersetzung ins Hochdeutsche inklusive

„mir stecken splitter in den augen / ich leim sie aneinander / das gibt ein schönes brett vorm kopf.“ So heißt es in dem absurden, bewusst sinnlosen Zwiegespräch „Mein Zustand ist Verschlimmerung. Schön heute nichts bewirkt zu haben“ aus der Anthologie Natürlich die Schweizer!

Eine Art Brett vorm Kopf hatten in den letzten Jahren wohl auch viele, wenn es um das Thema Schweizer Literatur ging. So beklagen Reto Sorg und Yeboaa Ofosu, die Herausgeber der beim Berliner Aufbau Verlag erschienenen Anthologie, dass Schriftsteller sich lange gegen die Etikettierung „Schweizer Autor“ auflehnen mussten, weil ihnen dadurch eine ausschließlich künstlerische Auseinandersetzung mit ihrem Alpenstaat unterstellt wurde – ganz nach dem Motto: Heimat verpflichtet.

Mit den in der Anthologie gesammelten Texten wollen Sorg und Ofosu nun zeigen, dass die Schweizer Gegenwartsliteratur durchaus zu mehr in der Lage ist, als über heimische Berge und Seen zu sprechen, und mit talentierten Erzählern aufwarten kann.

Morgen werden dafür im Literaturhaus fünf Schriftsteller ihre Beiträge aus der Anthologie lesen. Neben Nicolai Kobus und Raphael Urweider, die das eingangs zitierte Zwiegespräch führen, sind Ruth Schweikert, Jürg Halter und Guy Krneta eingeladen. Schweikert hatte bereits mit ihrem Roman Augen zu großen Erfolg und überzeugt in ihrer Erzählung „Alejandros Katze“ durch genaue Beobachtungsgabe und nüchternen Sprachstil. Jürg Halter, Jahrgang 1980, versucht sich mit seinen sarkastischen Versen unter dem Titel „Ich habe die Welt berührt“ an einem Rundumschlag in Sachen Vorurteilen und Erwartungen gegenüber anderen Ländern und Kulturen: „In Deutschland in der Imbissbude des Türken, ahnend die Schönheit der Türkei: / Wasser, blaues, Strände, weiße, Tränen aus Türkis und der Döner Kebab, das ist Deutschland, auf dem Poster die Türkei...“

Als einziger der vortragenden Autoren verfasst Guy Krneta seine Texte in Schweizerdeutsch. Wer dessen nicht mächtig ist, kann bei der Lesung sicher gut die Stimmung der durchweg im Konjunktiv gehaltenen Geschichte „Reiseleiter“ nachvollziehen, aber tatsächlich kaum ein Wort verstehen. Damit die Hamburger trotzdem erfahren, was hinter Sätzen wie: „U sech drby z dänke, was die Lütt ächt dänki“ steckt, wird Uwe Dethier ins Hochdeutsche übersetzen.

Maren Albertsen

Morgen, 20 Uhr, Literaturhaus