Die Metamorphose des Präsidenten

Im Kampf um Stimmen bei den Parlaments- und Provinzwahlen praktiziert Südafrikas Staatschef Thabo Mbeki ungewohnte Volksnähe. Dabei steht der Sieg der ANC fest – trotz einer Arbeitslosigkeit von 40 Prozent und vieler uneingelöster Versprechen

AUS JOHANNESBURG MARTINA SCHWIKOWSKI

Die Menge im überfüllten Stadion nahe Soweto tobt und brüllt mit erhobenen Fäusten in Chor: „Wir werden ANC wählen!“ 80.000 Menschen feuern den Mann an, den sie nach den Parlaments- und Provinzwahlen am kommenden Mittwoch in Südafrika wieder an der Regierungsspitze des Landes sehen wollen. Präsident und Parteichef Thabo Mbeki lässt sich hinreißen, zur Musik eines Gospelsängers in die Knie zu gehen. Mit den Luftsprüngen und zuckenden Bewegungen kann Vizepräsident Jacob Zuma sogar als eingefleischter Zulu-Tänzer nicht mithalten.

Mbeki, der nur ungern auf Tuchfühlung mit den Massen geht, hat bei seiner Kampagne in den vergangenen Wochen eine überraschend neue Strategie verfolgt: Er gab seine distanzierte Haltung auf, zeigte sich als Mann des Volkes und zog in den Dörfern von Haus zu Haus. Mbeki besuchte die Armen, die immer noch auf die versprochenen Verbesserungen warten.

Die Südafrikaner sahen einen Präsidenten, der sich zur traditionellen Begrüßung ihren Perlenschmuck umhängte, und sie erlebten einen Staatsmann, der sich in überfüllten Häusern auf den Boden hockte, um den Problemen zuzuhören. Und er besuchte weiße Arbeiterhaushalte – eine Geste, die sich an den Urnen auszahlen soll. Allerdings weiß der Präsident, dass er nicht viel zu verlieren hat. Denn das Ergebnis steht fest: Der ANC wird gewinnen, und es geht nur um die Frage, ob es zu einer Zweidrittelmehrheit reicht – laut Umfragen durchaus möglich. Das Parlament – 400 Abgeordnete werden gewählt – bestimmt dann den Präsidenten.

Bei seinem Amtsantritt vor fünf Jahren erhielt Thabo Mbekis Partei etwas mehr als 66 Prozent der Stimmen. Seine Politik ist seither besonders in der Aidsfrage und wegen seiner zögerlichen Haltung zur Lage in Simbabwe unter Beschuss geraten. Das größte Problem vieler Südafrikaner ist jedoch die Arbeitslosigkeit von 40 Prozent. Viele Wähler sind darüber enttäuscht, erkennen aber die bisherigen Fortschritte an und wollen der ehemaligen Befreiungsbewegung noch eine Chance geben.

Andere sind radikaler. So haben sieben Millionen Wahlberechtigte die Registrierung unterlassen und verzichten auf ihr schwer erkämpftes Stimmrecht. 20,6 Millionen Wähler sind für die Stimmabgabe eingetragen.

35 Parteien beteiligen sich, doch nur eine Hand voll kämpft um einen größeren Stimmanteil. Dabei sind die Alternativen zum ANC gering. Und die Opposition unterscheidet sich in ihren Forderungen kaum von der Regierungspartei. Sie verspricht nur mehr Arbeitsplätze, Aidsmedikamente und einen schnelleren Erfolg im Kampf gegen Gewalt.

Die Demokratische Allianz, einst die liberale weiße Partei und größte Opposition, könnte neun Prozent erreichen. Parteichef und Präsidentenkandidat Tony Leon kritisierte den ANC als Partei der Eliten und fischt Stimmen in allen Lagern – seit einigen Jahren besonders auch in den schwarzen Gegenden.

Die Provinzwahlen sind bedeutend, denn der ANC regiert in sieben von neun Provinzen. Dazu kommt: Am Westkap bildet der ANC eine Koalition mit der ehemaligen Apartheidpartei, der Neuen Nationalen Partei, deren Wahlunterstützung bei nur drei Prozent liegt. In der Provinz KwaZulu-Natal koaliert die Demokratische Allianz mit der dort regierenden Inkatha-Freiheitspartei, um die Möglichkeiten einer Machtübernahme des ANC zu schmälern. Die linken Allianzpartner des ANC, der Gewerkschaftsverband Cosatu und die kommunistische Partei, streiten zwar über Liberalismus, Privatisierungen und freie Marktwirtschaft der Regierung, stehen am Ende jedoch zusammen.

Thabo Mbeki hatte seit seiner Amtsübernahme mit den Erblasten der Apartheid zu kämpfen. Wenn der Pragmatiker nach den Wahlen in seine zweite und letzte Amtszeit geht, erwartet ihn eine harte Prüfung. Inwieweit kann er den Prozess der Entwicklung beschleunigen und die Wirtschaftswelt der Reichen, die aus Schwarzen und Weißen besteht, mit der Dritten Welt, dem informellen Wirtschaftssektor der armen Schwarzen, zusammenbringen?

Er muss zeigen, ob er in der Lage sein wird, die Armut zurückzuschrauben, für mehr Ausbildung und Arbeit zu sorgen und die stabile Wirtschaft mit einem Wachstum von drei Prozent auszubauen und für Investoren attraktiver zu machen.