SCHIFFSUNGLÜCKE: BÜROKRATEN MACHEN AUS UNFÄLLEN KATASTROPHEN
: Ein Lehrstück im Versagen

Die Schiffskollision in der Ostsee ist ein Musterbeispiel für das, was alles nicht schief laufen darf. Dem Schiffsbefehlshaber war es möglich, bei klarer Sicht und Windstille eine mehr als zweihundert Meter lange Bordwand erst zu entdecken, als er wenige Meter davon entfernt war – dann rammte er sie mit seinem Kahn. Auf dem Stundenplan der Seefahrtsbürokratenschulen wird die „Fu Shan Hai“-„Gdynia“-Kollision einmal auftauchen zum Thema: Wie ein beherrschbares Unglück planmäßig außer Kontrolle gerät.

Als die „Prestige“ vergangenes Jahr vor Galicien zerbrach, übten sich die verschiedenen Ämter und Regierungsstellen so lange im Tauziehen, bis die Katastrophe ihre schwerstmögliche Wirkung entfaltete. Am Wochenende reichten einige Stunden Nichtstun aus, Öl und Fracht der „Fu Shan Hai“ von einer gefährlichen Ladung zum unkontrollierbaren Umweltverschmutzer zu machen.

Ein Schlepp von vier Seemeilen hätte genügt, das Schiff statt in 70 in seichten 16 Metern sinken zu lassen. Die Öltanks wären vermutlich jetzt bereits leer gepumpt, anstatt nun monatelang neue Ölteppiche zu lecken. Aber da waren Hoheits- und Kompetenzgrenzen. Schwedische Schiffe waren vor Ort, doch Dänemark war zuständig. Und dort zwei Behörden, die sich nicht einigen konnten.

Neu ist das nicht. Vor etwas mehr als zwei Jahren kollidierten „Baltic Carrier“ und „Tern“ in der Kadetrinne, und eine Ölpest suchte die dänische Südküste heim. Eine dänische Untersuchungskommission kritisierte danach die zuständigen Behörden: Mit ihrem Kompetenzgerangel hätten sie die Auswirkungen des Unglücks verstärkt. Besseres Zusammenspiel der Beteiligten wurde gefordert – und versprochen. Doch nun blockierten sich feige Beamte wieder gegenseitig. „Schließlich müssen Formalitäten eingehalten werden“, lautete die Entschuldigung des Verantwortlichen.

In drei Wochen treffen sich die UmweltministerInnen der Ost- und Nordseeanrainerstaaten in Bremen. Sie sollten einen neuen Punkt auf die Tagesordnung setzen: eine Katastrophenbereitschaft, die aus dem Stand und ohne Rücksicht auf nationales Behördengerangel und Hoheitsgrenzen funktioniert. REINHARD WOLFF