Bundesregierung gegen Bundesbank

Hotel-Affäre des Bundesbankchefs löst schweren Konflikt zwischen Regierung und Zentralbank aus. Kommissarischer Präsident der deutschen Notenbank sieht deren Unabhängigkeit gefährdet. Welteke lässt sein Amt bis zur Klärung der Vorwürfe ruhen

AUS BERLIN ANDREAS SPANNBAUER

Die Hotelkosten-Affäre von Bundesbankpräsident Ernst Welteke hat einen beispiellosen Streit zwischen der Zentralbank und der Regierung ausgelöst. Der kommissarische Präsident der Bundesbank, Jürgen Stark, wirft der Bundesregierung inzwischen vor, Druck auf die unabhängige Institution auszuüben – und die Bundesregierung drängt trotz einer gegenteiligen Entscheidung der Bundesbank unverhohlen auf eine Ablösung Weltekes.

„Von Seiten Berlins“ würden Erwartungen geäußert, „die man als Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Bundesbank werten könnte“, sagte Stark am Donnerstagabend im ZDF. Die Regierung hatte vor der entscheidenden Sitzung des Bundesbankvorstands auf einen schnellen Abschied Weltekes gepocht. Der Vorstand der Zentralbank wollte davon jedoch nichts wissen. Nach einer mehrstündigen Unterredung empfahl er Welteke lediglich, sein Amt ruhen zu lassen. In der Einladung Weltekes in das Berliner Hotel Adlon durch die Dresdner Bank sah der Vorstand „keinen hinreichenden Grund“ für eine Abberufung. Der Präsident einer nationalen Zentralbank könne nur entlassen werden, wenn er eine „schwere Verfehlung“ begangen habe. Eine solche konnte der Vorstand jedoch im Fall Welteke nicht erkennen.

Die Bundesregierung beharrt dagegen nach wie vor auf einem Rücktritt Weltekes. Die Regierung gehe davon aus, „dass der Bundesbankpräsident in seiner Verantwortung vor dem Amt und der Institution Bundesbank jetzt notwendige Konsequenzen ziehen wird“, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums am Donnerstag. Welteke aber will sein Amt lediglich ruhen lassen, bis die Vorwürfe geklärt sind. Das allerdings kann dauern – die Frankfurter Staatsanwaltschaft, die gegen Welteke wegen des Verdachts der Vorteilsnahme ermittelt, rechnet mit monatelangen Prüfungen. Bis dahin wird Welteke an der Spitze der Zentralbank durch seinen bisherigen Stellvertreter Stark ersetzt.

In der jüngsten Vergangenheit hatte sich der Sozialdemokrat Welteke, ein langjähriger Weggefährte von Finanzminister Hans Eichel, mit kritischen Äußerungen über die Finanzpolitik der Bundesregierung profiliert. So kritisierte Welteke die Einstellung der Defizitverfahren gegen Deutschland und Frankreich durch die EU-Finanzminister. Auch rief er Eichel zu einer sparsameren Haushaltsführung auf.

Unbeliebt machte Welteke sich wohl auch bei der Diskussion um einen Verkauf der Goldreserven der Bundesbank. Nach einem Bericht des Focus soll er sich einem Vorhaben der Bundesregierung widersetzt haben, mit dem Verkauf der Goldreserven eine Innovationsoffensive vor den nächsten Wahlen zu bezahlen. Der Zentralbankchef sei lediglich bereit gewesen, mit dem zweistelligen Milliardenbetrag einen Fonds einzurichten und der Regierung die daraus erzielten Zinserträge zur Verfügung zu stellen. Eichels Finanzstaatssekretär Caio Koch-Weser, der als möglicher Nachfolger Weltekes gehandelt wird, soll dem Vorschlag dagegen aufgeschlossen gegenüberstehen. Ein Regierungssprecher wies die Berichte allerdings gestern zurück.

Mit einer Neuernennung des Bundesbankpräsidenten könnte die Regierung zudem eine wichtige Schlüsselposition über die nächste Bundestagswahl 2006 hinaus kontrollieren. Der Bundesbankpräsident wird auf 8 Jahre ernannt, Weltekes Vertrag läuft hingegen schon 2007 aus. Der CDU-Haushaltsexperte Steffen Kampeter warf der Regierung daher vor, sie wolle den Posten des Bundesbankpräsidenten für den Zeitraum über 2006 hinaus mit einem ihr genehmen Kandidaten besetzen: „Die Bundesregierung sucht eine Einflussnahme auf die Geldpolitik.“ In der Vergangenheit rückte bei einem Abschied des Bundesbankpräsidenten in der Regel dessen Stellvertreter an die Spitze auf – doch Weltekes Vize Stark gilt als CDU-Mann und strikter Verfechter des europäischen Stabilitätspakts.

Auf juristische Schritte, die auf eine Ablösung Weltekes abzielen, will die Bundesregierung nach eigenen Angaben verzichten. Damit könnte nach Angaben von Ulrich Häde, Professor für öffentliches Recht an der Europa-Universität Frankfurt (Oder), nur noch Bundespräsident Johannes Rau die Entlassung Weltekes vorschlagen.