pro Das schöne Feindbild

Streikende Gewerkschaftsossis kommen derzeit gar nicht gut. Dabei haben sie völlig Recht. Und die Wessis werden bald daran denken

Ein streikender Gewerkschaftsossi ist wirklich zu schön. Ein besseres Feindbild könnten sich die Arbeitgeber nicht basteln – vereint ein solches Exemplar doch in sich den schon so gut wie Arbeitslosen und seinen Lobbyisten. Und so heißt die Botschaft: Arbeiter aller neuen Länder, genießt euren Job und fordert nichts. Auch nicht von Unternehmen, denen es gut geht und die sich westdeutsche Standards leisten könnten. Wer weiß, ob es ihnen morgen nicht wieder schlecht geht. Und überhaupt geht es ihnen nur gut, weil ihre Arbeiter drei Stunden länger arbeiten als im Westen. Nur deswegen produzieren sie noch im Osten. Noch hübscher: Die Gewerkschaften lassen sich prima als ewig gestrige Betonköpfe entlarven.

Es ist gutes Recht der Arbeitgeber, nun den endgültigen Untergang der ostdeutschen Wirtschaft zu beschwören – schließlich richtet sich der Streik der Gewerkschaften gegen sie. Sachlich verdient der Streik diese Aufgeregtheit nicht. Die Gewerkschaften sind im Osten ein flexibler Partner der Arbeitgeber. Aber wer befasst sich schon gerne mit Fisselkram wie Betriebsvereinbarungen und branchenspezifischen Arbeitszeitregelungen. Schön blöd, jetzt hysterisch den Arbeitgebern hinterherzuhecheln, nur weil die Metaller im Osten ihre Arbeitnehmerrechte in Anspruch nehmen. Denn sowohl Drohungen als auch Gewerkschaftsschelte lassen sich auf den Westen übertragen. Wer also jetzt schnaubt, der Osten vertrage keine Verhältnisse wie der Westen, dürfte bald damit beschäftigt sein zu maulen, im Westen sei’s ja beinahe wie im Osten. HEIKE HOLDINGHAUSEN