Stolz auf den bestandenen Demokratietest

In Litauen wird die Amtsenthebung des Präsidenten positiv bewertet. Doch Rolandas Paksas könnte erneut antreten

STOCKHOLM taz ■ Nach fünf quälenden Monaten, die der Prozess des Amtsenthebungsverfahrens gedauert hatte und die in Litauen vor allem als höchst peinlich für den Ruf des Landes erlebt worden waren, setzte sich in der Hauptstadt Wilnius am Tag nach der Absetzung von Staatspräsident Rolandas Paksas langsam auch der Stolz durch. Die junge Demokratie habe sich als funktionsfähig erwiesen, kommentierten mehrere Tageszeitungen. „Es hat sich gezeigt, dass sich in Litauen alle an die Gesetze halten müssen, auch der Präsident“, sagte der stellvertretende Parlamentspräsident Ceslovas Jursenas: „Wir haben unsere Prüfung bestanden.“ Litauen tritt am 1. Mai der Europäischen Union bei.

Ein erleichtertes „das Recht hat gesiegt“ war der Kommentar des von den Abgeordneten zum Übergangspräsidenten gewählten bisherigen Parlamentspräsidenten Arturas Paulauskas. Dieser wird nicht nur bis zu der vermutlich am 13. Juni zeitgleich mit den Wahlen zum Europaparlament stattfindenden Neuwahl des Staatspräsidenten, der in Litauen direkt vom Volk gewählt wird, das Amt verwalten. Ihm werden gleichzeitig auch gute Chancen vorhergesagt, nächster Inhaber des höchsten Staatsamtes zu werden.

Bereits vor 15 Monaten hatte Paulauskas kandiert, kam aber damals nicht in die Stichwahl, die Paksas und der damalige Präsident Valdas Adamkus untereinander ausmachten. Adamkus hatte vor einigen Monaten erklärt, dass er nicht mehr für ein politisches Amt zur Verfügung stehe.

Paksas demgegenüber könnte wieder auf den Wahlzetteln stehen. Er hatte dies selbst bei seiner Verteidigungsrede vor dem Parlament anklingen lassen, und sein Sprecher Antanas Martusevicius kündigte nach der Abstimmung vor mehreren Hundert jubelnden Pro-Paksas-DemonstrantInnen dessen erneute Kandidatur an.

Paksas darf sich für eine solche Wahl sogar Chancen ausrechnen. Nicht nur, weil das knappe Abstimmungsergebnis mit je nach Absetzungsgrund nur einer beziehungsweise drei Stimmen über der erforderlichen Dreifünftelmehrheit Zweifel an der Schwere der Verfassungsverstöße selbst bei den Parlamentsabgeordneten zu signalisieren scheint. In weiten Bereichen der Bevölkerung gilt der populäre ehemalige Oberbürgermeister von Wilnius als führender Repräsentant der litauischen PolitikerInnen, die sich in der Vergangenheit einer von ihnen als „Ausverkauf an den Westen“ kritisierten Wirtschafts- und Privatisierungspolitik widersetzt haben. Auch wenn er sich dabei in offenbar allzu große Abhängigkeit zur „russischen Fraktion“ in der Geschäftswelt brachte.

Im letzten Wahlkampf hatte er erfolgreich Valdas Adamkus als einen „Lakeien des Westens“ und die übrigen Mitbewerber als Repräsentanten einer korrupten politischen Elite kritisiert. Gerüchte, dass westliche Geheimdienste den litauischen Verfassungsschutz mit den Informationen versorgt haben, welche zum „Paksasgate“ führten, wollten nie ganz verstummen und stoßen bei Paksas AnhängerInnen nach wie vor auf vorbehaltlosen Glauben.

Auch dass seitens der US-Administration offen ein Rücktritt des volksgewählten Präsidenten gefordert und ansonsten mit einer internationalen Isolation Litauens gedroht worden war, stärkte eher Paksas Stellung in seiner Anhängerschaft.

REINHARD WOLFF