Helden, die so tief in Loyalitäten verstrickt sind, dass der Tod nicht die schlechteste Lösung ist: „Infernal Affairs“ im Metropolis
: Die Hongkong-Hollywood-Affaire

Drängte sich in Sachen „erfindungsreiches Genre-Kino aus Fernost“ in letzter Zeit immer mehr der Eindruck auf, dass die indischen Bollywood-Filme dem Hongkong-Kino vielleicht schon bald den Rang ablaufen könnten, so belegt Infernal Affairs auf eindrucksvolle Weise, dass Letzteres durchaus noch imstande ist, absolut erstklassige Werke hervorzubringen.

Andrew Lau und Alan Mak haben sich bei ihrem Noir-Thriller auf eben jene erzählerischen und inszenatorischen Tugenden besonnen, mit denen von den späten 80er Jahren an Regisseure wie John Woo, Tsui Hark, Wong Kar-wei und zuletzt fast nur noch Johnnie To auch die ausgebufftesten Genre-Aficionados zu verblüffen verstanden. Gerade im Vergleich zu den Bollywood-Filmen, die ziemlich einfache Geschichten möglichst breit auswalzen – was da auch oft seinen ganz eigenen Reiz hat –, fällt an Infernal Affairs“ die enorme erzählerische Verdichtung auf, mit der die besten Hongkong-Filme selbst weit verzweigte Plots elegant in weniger als zwei Stunden zu pressen verstehen.

Dabei sieht es von außen betrachtet so aus, als sollte nur von allem mehr aufgeboten werden: Zwei Regisseure, zwei von Superstars (Andy Lau und Tony Leung) gespielte Helden, zwei prägnante Vaterfiguren, zwei Kameraleute und schließlich nach dem großen finanziellen Erfolg – auch noch zwei binnen eines Jahres parallel gedrehte Fortsetzungen.

Aber in Hongkong scheint man nicht eitel zu sein. Und hat wie einst das klassische Hollywood-Kino vor allem nicht vergessen, dass Arbeitsteilung der Kreativität nicht abträglich sein muss, sondern sie genauso gut fördern kann. Wenn auch Lau und Leung – ähnlich wie Al Pacino und Robert De Niro in Heat – genau darauf geachtet haben sollen, dass ihre Figuren vor allem in ihren gemeinsamen Szenen gleiches Gewicht haben.

Im Grunde ist alles gar nicht so kompliziert: Ein gerade mal 18-jähriges Mitglied einer Triaden-Organisation wird auf eine Polizeischule geschickt, um Jahre später, wenn er in eine entsprechende Position aufgestiegen ist, die groß angelegten kriminellen Machenschaften der Seinen schützen zu können. Auf der anderen Seite wird ein junger Polizist schon vor dem Ende seiner Ausbildung als „Maulwurf“ bei einem Gangster-Syndikat eingeschleust. Er soll sich dort langsam das Vertrauen der Bosse erwerben, um Jahre später auch über die ganz großen Deals informiert zu sein...

Während diesem zehn Jahre dauernden Prozess größerer Raum in Teil zwei gegeben wird, der damit ein Prequel ist, springt der nun zu sehende Teil eins nach einer kompakten Rückblende gleich zu dem Ereignis – ein Super-Rauschgift-Deal, versteht sich. Dort muss sich erweisen, für wen sich der ganze Aufwand am Ende gelohnt hat, und dort wird den Helden endgültig bewusst, welch enormen persönlichen Preis sie jahrelang gezahlt haben.

Nicht nur Gute, die nicht nur gut sind, und Böse, die nicht nur böse sind, zeigt Infernal Affairs also, sondern auch differenziert gezeichnete Charakterbilder von Helden, die so tief in ihren widerstreitenden Loyalitäten verstrickt sind, dass gar der eigene Tod nicht die schlechteste aller Lösungen zu sein scheint.

Sollte man entscheiden, ob Infernal Affairs mehr Gangster- oder Polizeifilm ist – bei Heat, von dem der Film nicht wenig inspiriert ist, war dies ja so gut wie unmöglich – müsste man wohl für Letzteres votieren. Dem Gesetz zu dienen, reizt den Gangster hier mehr als den Cop das große Geld. Wenn es demnächst das US-Remake geben wird – idealerweise mit Pacino und De Niro als Vaterfiguren – wäre der Kulturaustausch der Komplimente zwischen Hongkong und Hollywood dann komplett. Eckhard Haschen

Samstag, 21.15 Uhr und Sonntag, 20 Uhr, Metropolis