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: Böser Westen, armer Osten: Cox Habbema und ihr Leben zwischen Amsterdam und Ostberlin

Cox Habbema hat ein Buch geschrieben. Das ist schön, denn in den Siebzigerjahren verschlug es die 1944 geborene Niederländerin nach Ostberlin. Hier spielte sie fast zwanzig Jahre am Deutschen Theater, war in einigen Defa-Filmen zu sehen und heiratete dann den DDR-Schauspieler Eberhard Esche. Mitte der Achtzigerjahre kehrte sie wieder nach Amsterdam zurück und leitete dort das Stadttheater.

Cox Habbema hätte also in ihrem Buch eine interessante Geschichte zu erzählen. Nicht nur die von einem verschwundenen Land und einem Leben zwischen Ost und West, sondern vor allem davon, wie es sich angefühlt haben muss, als junge Westlerin den sozialistischen Alltag zu erleben. Im Klappentext kann man lesen: „Die Schauspielerin schildert aus der Perspektive der Pendlerin zwischen den Welten entwaffnend offenherzig und mit großer Sensibilität das ganz normale Leben in der DDR und die durch die Wende 1989 hervorgerufenen Veränderungen.“

Nur schade, dass sich davon in dem Buch nichts findet. Statt sich einfach hinzusetzen und ihre eigene Geschichte aufzuschreiben, die Geschichte einer jungen Frau aus dem Westen, die in die kleine DDR kam, dort irgendwie hängen blieb und sich zu einem sozialistischen (Berufs-)Leben entschloss, gefällt sich Cox Habbema in der Rolle der allwissenden Welterklärerin, die zu allem ihren ideologisch gefärbten Senf geben muss. Frei nach dem Motto: Ich erkläre euch jetzt mal, wie das so ist mit dem bösen Westen und dem armen Osten.

Das allein wäre vielleicht gar nicht so schlimm, denn bekanntlich setzt sich Geschichte immer aus einer Vielzahl von Perspektiven zusammen. Warum ihre Lebenserinnerungen aber unbedingt dem Erzählprinzip eines modernen Romans folgen müssen und nicht einfach halbwegs chronologisch oder nach Themen geordnet aufgeschrieben werden konnten, bleibt wohl das Geheimnis der Autorin und ihrer Lektorin.

Das erste Kapitel behandelt die frühen Neunzigerjahre, im zweiten erzählt sie in sechs kurzen Passagen von den Siebzigerjahren, von den Tagen kurz nach dem Mauerfall, von einigen Ferienerlebnissen an der Ostsee und von der Biermann-Ausweisung, um dann im dritten, vierten und fünften Kapitel wieder von ihren DDR-Ferienerlebnissen, von der Biermann-Ausweisung, von der Zeit zwischen 2000 und 2001, von ihrer Freundschaft mit Gregor Gysi und ihren Erlebnissen mit der Stasi zu erzählen.

In diesem Stil geht es immer weiter, bis man letztlich selber nicht mehr weiß, wann, was und warum eigentlich passiert ist. Garniert ist das Ganze mit Fotos der jungen Cox Habbema im Bikini, in ihrer Wohnung mit dunkelbrauner Schrankwand im Hintergrund und in ihren verschiedenen Rollen, die nichts oder kaum etwas vom Leben in der DDR zeigen. Und bei Sätzen wie: „Die Arbeiterfamilie hielt sich am Wochenende in der Datscha auf. Damals, als eine Familie noch eine Familie war. Damals, als es noch gemütlich war und keiner am Wochenende arbeiten musste“, liest man schnell peinlich berührt weiter.

So gerät das Buch letztendlich zu einer Art Selbstvergewisserung, damals auf der richtigen Seite gestanden zu haben und alles richtig gemacht zu haben. Vielleicht hätte ihr nur jemand stecken müssen, dass es in Deutschland mittlerweile Filme wie „Good Bye Lenin!“ oder Bücher wie „Die Zonenkinder“ gibt. „Mein Koffer in Berlin oder das Märchen von der Wende“ hat Cox Habbema ihr Buch genannt. Sie hätte es auch „Das Märchen davon, dass es nur eine Wahrheit gibt“ nennen können.

SANDRA LÖHR

Cox Habbema: „Mein Koffer in Berlin oder das Märchen von der Wende“. Militzke, Leipzig, 2004, 19,90 €