Monsters of Rock

Der Mann mit dem Spaten im Hirn, der Kapitalismuskritik noch einmal zum Bluten bringt: Bobby Conn versucht, keine Parodie seiner selbst zu sein, und steigert sich ins Hypertheatralische

von Carsten Klook

Angeblich soll Bobby Conn einige Jahre in der Punkszene von Chicago abgehangen und täglich Acid genommen haben, bevor er eines Tages im Gefängnis aufwachte. Dort entschied er sich, der Anti-Christ zu sein, erfand das „Continous Cash Flow System“ und beschloss, fortan mehr Zeit mit Geld ausgeben als mit Geld verdienen zu verbringen.

Inzwischen wird Bobby als der Mann mit dem Spaten im Hirn angesehen, der Kapitalismuskritik noch einmal zum Bluten bringt. Während er auf seinem bisher besten Album Rise Up! den prophetischen Mahner, der den Untergang vorhersagt, in der Gestalt eines mit Potthaarschnitt versehenen Sohnemann-Hänflings zelebrierte, entpuppt er sich auf dem neuen Album The Homeland als geläuterter Glamrocker. Die ersten drei Stücke des Albums („We come in peace“, „The Homeland“, „We‘re taking over the world“) sind direkte Kommentare zu Amerikas Außenpolitik. Der überdrehte Gesang zum ungewohnt straighten und schnörkellosen Rock lässt die kapitalismus- und imperialismuskritischen Texte grotesk werden.

Das ist keine Ironie, sondern eine Übersteigerung des Realen ins Hyper-Theatralische. Jede Hoffnung auf Änderung der Lage wird zur Absurdität erklärt. Die Identifikation mit dem Wahnsinn wird zur Farce. „The Style I Need“ ist ein Song über einen Mann, der eine Frau verehrt, die jede erdenkliche Schönheits-OP mitgemacht hat, um sich jeden menschlichen Zug aus dem Gesicht zu entfernen.

Die ersten beiden Platten von Bobby Conn (Bobby Conn von 1997 und Rise Up! von 1998) spielten mit den emotionalen Entgleisungen von Christ-Rock-Musicals der frühen 70er und den Improvisationen à la Curved Air. Ebenso wie bei der EP Llovessonngs (1999) und dem Album The Golden Age (2001) schien Conn sich im Stilmixtopf eingenistet zu haben, der in der Art des White Albums der Beatles alles Mögliche zusammenfrappierte und -montierte.

Bei seinem neuen Album dagegen wurde Conn vom Produzenten John McEntire (Tortoise) übern Kamm gezogen und auf Linie gebracht. Die Songs sind sehr aufgeräumt und nicht mehr virtuos-verspielt. Auch die umwerfende Violonistin Monica Boubou scheint gebändigt. Der Titel „My special friend“ erscheint im 73er Roxy Music-Glam-Style mit viel Saxofon. Musikalisch ist „Ordinary Violence“ am besten, „Cashing Objections“ dagegen punktet mit Zeilen wie „I‘m making love to you. It‘s nothing personal.“

Im Videoclip zum Titel „Relax“, einer weiteren Studie zwischenmenschlicher Totalentfremdung, gibt sich die Band als spinnerte Losertruppe, die in einer Kinder-TV-Show scheiße angekündigt und auch lächerlich abmoderiert wird. Aus den Bandmitgliedern, Jeans-Typen mit Wuschel-Besatz, wird man nicht schlau. Das Ganze erscheint in TV-inkompatibler Überlänge und matschiger Bildqualität. Der Star ist die Pubertät als Ära des totalen Versagens, die wie-auch-immer-geartete Norm zu erfüllen. Glam wird zum unbezwingbaren Monster, an dem man scheitert. Space-Grotesque-Prop als letzte Trutzburg gegen den Sinnverschleiß durch die, ähem, Medien.

Bobby Conn spielt am liebsten in Clubs vor 200 bis 300 Leuten. Bei seinen Performances wirft er sich in die Menge, wandert im Publikum umher, wobei er festzustellen glaubt, das die Leute Angst vor ihm haben, weil er ansteckend sein könnte. Bobby mit Lidschatten im Stile von Alice Cooper in der Billion-Dollar-Baby-Phase. Wenn die Lidschatten schweißig ins Gesicht verschmiert sind, wird er zum Sumpf. Bobby, der Gebettnarzte, Beknarzte und Verwarzte. The Bobby Horror Picture Show. Bobby als David Bowie – eine Parodie auf seine Bemühungen, keine Parodie seiner selbst zu sein. Die Losung bleibt: „I can‘t help you, Baby, when the empire falls!“

Samstag, 10. April, 20 Uhr, Molotow