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: Die USA ohne Kriegsgrund: Ein schwaches Bild demonstriert Stärke

Noch nie hat eine Weltmacht so ungeniert die eigene Glaubwürdigkeit ad absurdum geführt, wie es dieser Tage die USA tun. Nach den schon grotesken Vorwürfen von Verteidigungsministers Donald Rumsfeld, der Irak habe aus lauter Gemeinheit noch vor Kriegsbeginn seine Massenvernichtungswaffen vernichtet, nur damit die US-Army sie nicht findet, hat jetzt sein Stellvertreter Paul Wolfowitz in schönster Offenheit berichtet, was Kriegsgegner schon immer behauptet haben: Um Massenvernichtungswaffen ging es nie, das war lediglich das Thema, das sich am besten verkaufen ließ. Michael Moore lässt grüßen.

 All das müsste eigentlich Anlass genug sein, zukünftig die Umsetzung der Doktrin vorbeugender Militärschläge politisch unmöglich zu machen. Wer wird schon noch einmal glauben, was aus dem Pentagon über mögliche Bedrohungen verlautet? Doch weit gefehlt. Die Washingtoner Falken schaffen es, selbst beim Beichten vor allem ihre internen Widersacher im Regen stehen zu lassen. Jene nämlich, die auf dem lästigen und erfolglosen Gang zum Weltsicherheitsrat bestanden hatten: US-Außenminister Colin Powell und Großbritanniens Premier Tony Blair. Immerhin war es nicht Rumsfeld, sondern Powell, der im Weltsicherheitsrat eine Dreiviertelstunde lang mit überzeugter Miene erfundene Beweise, Fälschungen und Verdrehungen vortrug und sich jetzt nur noch aussuchen kann, ob er lieber als Lügner oder als Depp dastehen möchte. Und Tony Blair wusste sogar zu berichten, in nur 45 Minuten seien irakische Chemie- und Biowaffen einsatzbereit – ein Unsinn, den ihm jetzt selbst die eigenen Geheimdienste um die Ohren schlagen.

 Wolfowitz, Rumsfeld und Bush hingegen ficht all das nicht an. In einem Interview mit einem französischen Fernsehsender gibt sich der US-Präsident versöhnlich: Nein, er sei nicht böse auf Paris wegen des Irak, nur enttäuscht sei er gewesen, aber jetzt müsse man nach vorn schauen. Und natürlich kommt niemand auf die Idee, Bush zu erklären, dass er sich eigentlich für das Belügen der Weltgemeinschaft entschuldigen müsste.

 So ist, was zunächst ein schwaches Bild abgibt, in Wirklichkeit eine Demonstration der Stärke. Jawohl, wir haben gelogen, wir bereuen es nicht, und ihr könnt nichts dagegen tun. Die Einzigen, die an dieser Haltung etwas ändern könnten, wären die US-amerikanischen WählerInnen. Solange die aber weiterhin ihre Wohnzimmer mit Klebeband abdichten, wenn die Regierung mal wieder „Code Orange“ ausruft, so lange können die Rumsfelds und Wolfowitzens weiterhin tun und lassen, was ihnen gerade in den Sinn kommt. BERND PICKERT