Autobahnen durch die Alpen blockiert

Wer in den kommenden Tagen mit dem Auto nach oder durch Österreich reisen will, muss mit Verkehrsbehinderungen rechnen. Bürger legen Alpentransit lahm, weil Verkehr und damit Lärm- und Schadstoffbelastungen enorm zunehmen

WIEN taz ■ Von Osterurlauben in Italien oder in Kärnten ist derzeit abzuraten. Seit gestern bis Mittwoch werden wichtige Transitrouten durch Österreich teilweise mehrere Stunden lang blockiert. Die Blockaden finden in Form so genannter Bürgerversammlungen auf den Autobahnen statt. Sie werden von dem privaten Transitforum Austria veranstaltet. Zum einen richten sie sich gegen die Europäische Union, die mit Wirkung von Januar dieses Jahres dem Transitverkehr durch Österreich praktisch Tür und Tor öffnet. Vor allem wenden sich die Demonstranten aber gegen die österreichische Bundesregierung. Sie werfen ihr politisches Versagen vor.

Den Auftakt zu den Protesttagen lieferte gestern Vormittag die Gruppe Lena (Lebensraum Erhalten Nachhaltig Aktiv) bei Grafenwörth in Niederösterreich. Der Protest der Bürgerbewegung richtet sich gegen den vierspurigen Ausbau der Schnellstraße S 5 und den Bau einer weiteren Donaubrücke. Diese Strecke wird durch die Osterweiterung zu einer neuen Haupttransitachse im Ost-West-Verkehr werden.

Lena-Obfrau Karin Kuna erwartet in wenigen Jahren das doppelte Transitaufkommen der Brenner-Strecke. Nachmittags folgten Sperren der Inntal-Autobahn und der Tauernautobahn am Kärntner Ende des Katschberg-Tunnels. Für Transit-Lkws ist während der insgesamt sieben Bürgerversammlungen bis Mittwoch keine Alternativroute vorgesehen. Pkws wurden von der Polizei gestern umgeleitet. Markus Widmann, Chef der Tiroler Verkehrsgendarmerie, hat zwar mehrere Hundertschaften von Beamten im Sondereinsatz, doch rechnet er auch auf den Ausweichstrecken mit Staus und rät allen, die es eilig haben, das Auto zu Hause zu lassen.

Mit Ende 2003 lief die so genannte Ökopunkte-Regelung aus. Sie hatte den Transit zwar mengenmäßig beschränkt, aber die Zunahme der Lärm- und Abgasbelastung nicht, wie vorgesehen, um 60 Prozent vermindert. Seit Anfang der 1990er-Jahre ist der Anteil des Schwerverkehrs an der Belastung durch Stickoxide um 85 Prozent gestiegen.

Erwartungsgemäß hat sich die Lage nach Wegfall der Beschränkungen verschärft. Allein auf der Brenner-Autobahn, über die täglich 5.000 Lkws rollen, hat der Schwerverkehr seit Jahresbeginn – je nach Quelle – zwischen zwei und zehn Prozent zugenommen.

Befürchtungen, dass die Blockaden der Wirtschaft und dem Tourismus schaden würden, wies Transitforum-Chef Fritz Gurgiser als „blitzdumm“ zurück. Schließlich kämen die Gäste nach Tirol, „um sich zu erholen und nicht um sich vergiften zu lassen“. Österreichische Politiker, die sich sonst schon mal gerne an populären Straßenblockaden beteiligen, ließen sich diesmal bei den Bürgerversammlungen nicht blicken.

RALF LEONHARD

Details zu den Sperren unter: http://tirol.orf.at