Selig sind die dummen Menschen

Spätestens nach dem 11. September 2001 ist eine Diskussion um die Gewalttätigkeit der monotheistischen Religionen entbrannt. Warum die Religionen nicht für blutrünstige Kreuzzüge verantwortlich sein wollen

„Gott liebt scheint dumme Menschen zu leben – warum sonst hat er so viele von ihnen geschaffen?“, fragt Rabbiner Walter Rotschild. Will Gott Dummheit? Auch die, die sich in Gewalt äußert und religiös begründet wird? Der Geistliche hält Gewalt für ein Produkt von Knappheit, nicht von Religion. „Wir müssen essen, einen Partner finden und uns irgendwo niederlassen. Das schafft eben Probleme.“

Es sind Probleme, denen sich eine taz-Diskussion im Kreuzberger Umspannwerk widmete. Vor 250 Zuschauern stellten sich Vertreter der drei monoteheistischen Religionen diesen Probleme. Die Blutrünstigkeit ihrer eigenen Heiligen Schriften dient religiösen Fanatikern immer wieder als Anleitung zu Mord und Totschlag.

„Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert“, sagt Jesus nach Matthäus. „Ich schäme mich nicht für diese Bibelstellen“, bekundet Bischöfin Maria Jespen. „Aber ich schäme mich, wenn Menschen sie wörtlich nehmen.“ Die apokalyptische Sprache der Bibel müsse übersetzt werden. Nadeem Elyas, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, ergänzt: „Und man muss sich ein Gesamtbild machen, das alles zurechtrückt.“ Der Tenor des Koran sei friedfertig.

An einem solchen Gesamtbild hatte Mohammed Atta kein Interesse. „Haut ihnen mit dem Schwert auf den Nacken und schlagt zu auf jeden Finger“, las der Selbstmordpilot des 11.Septembers in Sure 8 des Korans. „Sie“, das sind alle Nicht-Muslime, die nach dem Koran zu töten sind, wo immer man sie antrifft. „Nein, keine Religion ist kriegstreibend“, meint Elyas. Schließlich dürfe man Saddam genauso wenig als Vertreter des Islam sehen wie US-Präsident Bush als Vetreter des Christentums.

Der Religionswissenschaftler Hans Kippenberg warnt jedoch davor, die von den Religionen angebotenen Deutungsmuster zu unterschätzen. Das Zerstörungswerk religiöser Attentäter zeige, wie stark unerschütterlicher Glaube sein kann. „Wo wir nur Tod sehen, sehen sie Auferstehung und Leben“, so Kippenberg auf dem Kirchentag. Ist Religionen machtlos gegen den Tunnelblick? Kippenberg meint, sie müssten die Hoheit über religiöse Deutungen zurückgewinnen.

Und tauche mittlerweile nicht eine Ersatzreligion auf, lautete eine Frage aus dem Publikum der taz-Podiumsdiskussion: der Kapitalismus? Produziere sie nicht Gewalt, die noch grausamer sei als die klassischer Religionen? „Immer jung und tüchtig sein“, solche Maxime überlagerten die Menschenfreundlichkeit der Religionen, erklärt Bischöfin Jepsen. Rothschild will deswegen nach dem gemeinsamen Nenner der Religionen suchen. Dafür sei jedoch Ehrlichkeit eine Voraussetzung. Maria Jespen machte schon mal den Anfang: „Ich merke einfach oft, dass der Islam einfach eine Macho-Religion ist.“

STEFAN LEIFERT