Bsirske gibt den Rächer der Entlohnten

Gewerkschaften gegen längere Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst. Ver.di-Chef Bsirske droht mit „Konflikt in bisher nicht bekanntem Ausmaß“. Länder wollen 38,5-Stunden-Woche kippen. Arbeitszeit wird auch beim heutigen Aktionstag Thema sein

BERLIN/STUTTGART dpa/rtr/taz Die Gewerkschaften wollen sich mit ganzer Kraft gegen längere Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst wehren und schließen auch Streiks nicht aus. Bundeskanzler Gerhard Schröder bekräftigte seine Ablehnung einer pauschalen Verlängerung der Arbeitszeit und rief die Tarifparteien zu mehr Flexibilität auf.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hat die Bundesländer aufgefordert, die Arbeitszeitregeln für die Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst wieder einzusetzen. Sollte dies bis Ende April nicht geschehen, werde Ver.di das Scheitern der Verhandlungen erklären, heißt es in einer Resolution der Bundestarifkommission von Freitag in Stuttgart. Dann könne Ver.di von Mai an zu Urabstimmungen über Streiks aufrufen. „Ich glaube, dass sich die Auseinandersetzung noch zuspitzen wird“, sagte Ver.di-Chef Frank Bsirske.

Die Bundesländer hatten vergangene Woche den Arbeitszeittarifvertrag für ihre Beschäftigten im Westen gekündigt. Als Folge davon können Arbeiter und Angestellte der Länder statt wie bisher zu 38,5 Stunden zu 42 Stunden Wochenarbeitszeit verpflichtet werden. Dies betrifft allerdings nur Neueinstellungen. Für bereits Beschäftigte gilt auch bei der Kündigung die „Nachwirkung“ des Tarifvertrags, das heißt, bis zu einem gemeinsamen Aushandeln neuer Arbeitszeiten durch die Tarifpartner bleibt die alte Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden bestehen.

Doch für alle neu beschäftigten Landesangestellten gilt im SPD-regierten Nordrhein-Westfalen nun vom 1. Mai an eine Wochenarbeitszeit von 41 Stunden. Diese Verlängerung in Kauf nehmen müssen auch Auszubildende, die übernommen werden, und Mitarbeiter, deren Zeitvertrag verlängert wird.

Viele Landesregierungen streben die Angleichung der Arbeitszeit der ArbeitnehmerInnen an die der Beamten an. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat bereits angekündigt, die Arbeitszeiten für Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst verlängern und sie den Arbeitszeiten der Landesbeamten angleichen zu wollen. Beamte arbeiten mindestens 40, in einigen Bundesländern wie Hessen und Bayern aber bereits bis zu 42 Stunden. „Ohne Mehrarbeit gibt es auch bei der Tarifrunde keine Gehaltserhöhung“, so Koch. Die Tarifrunde beginnt Anfang 2006.

Verdi-Chef Bsirske sagte, im Fall der Arbeitszeitverlängerung drohe im öffentlichen Dienst der Verlust von über 100.000 Arbeitsplätzen. „Ein falscheres Signal“ als Arbeitszeitverlängerung könne „man nicht aussenden“, sagte er in einem Interview und drohte einen „Konflikt in bisher nicht bekanntem Ausmaß“ an.

Die Gewerkschaften rechnen damit, dass der Streit um die Arbeitszeitverlängerung heute noch mal für regen Zulauf zum „Europäischen Aktionstag“ sorgt. Zu den Demonstrationen gegen Sozialabbau in Berlin, Köln und Stuttgart werden über 100.000 Menschen erwartet. BD