Erfolg im Spiel

Keine Angst vor Misserfolgen: Mit Improvisationstraining sollen Flexibilität, Selbstbewusstsein und die Fähigkeit, in andere Rollen zu schlüpfen, gestärkt werden – nicht nur fürs Berufsleben

Von Marieke Kraft

„Gestern – stand – mein – Chef –nackt – vor – meiner – Tür.“ Aha, und was machte er da? – Das klären die acht Spontan-Autoren in der zweiten Runde des improvisierten Geschichtenerzählens. Vorausgesetzt, sie prusten nicht vorher los. Denn gelacht wird viel an diesem Donnerstagabend, wenn sich,Wort für Wort, mehr oder minder sinnvolle Sätze und schließlich eine skurrile Geschichte entwickeln.

Geschichtenerzählen wie auch hemmungsloses Grimassenschneiden sind Bestandteile des Improvisations-Trainings, das von Susanne Alwart vom Hamburger Weiterbildungsinstitut heinze + alwart seit einem Jahr angeboten wird. „Hat mich ganz schön Überwindung gekostet am Anfang, mich auf die verrückten Spielchen einzulassen“, erzählt Ines Rathmann, die seit Oktober 2003 regelmäßig dabei ist. „Am Anfang des Kurses war ich viel gehemmter. Jetzt merke ich, dass ich die Szenen routinierter spiele.“

Selbstbewusstsein, Flexibilität und die Fähigkeit, in andere Rollen zu schlüpfen, sind für Susanne Alwart wichtige Eigenschaften für beruflichen Erfolg. Die 36-jährige Unternehmensberaterin und Trainerin für Kommunikation hat sich selbst unter anderem in Workshops beim „Vater des Improvisationstheaters“ Keith Johnstone weitergebildet, der diese Art des Schauspiels in den 50er Jahren in London entwickelte. „Ich bin überzeugt, dass das Impro-Training Menschen hilft, im Beruf kreativer zu sein und schneller neue Ideen zu entwickeln“, sagt Alwart. Sie hat die Trainer Thorsten Brand und Torsten Voller vom Hamburger Improvisationstheater „Steife Brise“ engagiert. Seither gibt es jeden Donnerstag für alle Interessenten einen abendlichen „Impro-Kurs“, an dem sie auch selbst teilnimmt.

Und dann stehen sie da, sechs Frauen und zwei Männer, und harren der Dinge. Die beginnen mit der obgligatorischen „warm-up“-Phase: Schulterkreisen, gemeinsames Klatschen, sich locker machen, entspannen. Und weil die Zusammensetzung der Gruppe jede Woche eine andere ist, folgt ein Namenspiel zum Kennenlernen. „Thorsten – Anja. Anja – Britta. Britta – Renee. Renee – Conny. Conny – Renee. „Stopp! Den Namen des Vorgängers darf man nicht nochmal aufrufen!“ erklärt Thorsten Brand. So ist die Regel bei diesem schnellen Spiel, Stress als Entschuldigung fruchtet nicht, und Conny muss sich hinten anstellen. Da „merkt man schnell, wer nicht gerne verliert und wer es leicht nimmt“, lacht Brand.

Das Training soll dazu beitragen, Menschen die Angst vorm Scheitern zu nehmen und mit Misserfolgen leichter umzugehen. Deshalb wird jetzt Theater gespielt. Das Publikum, in diesem Fall ein Teil der Gruppe, gibt die Szene vor: Eine Zahnbürste soll reklamiert werden. Der „Verkäufer“ weiß Bescheid, der „unzufriedene Kunde“ allerdings ist ahnungslos und muss nun durch geschicktes Fragen herausbekommen, welchen Gegenstand er denn da zurückgeben will. Das, sagt Brand, ist typisch fürs Improvisationstheater: Alles ist spontan, die Zuschauer leiten die Spieler. „Nicht alles interpretieren, sondern über sich selbst staunen“, heißt hier die Devise.

Zum Schluss steht noch Statusverhalten auf dem Spielplan, und einige Gruppenmitglieder schlüpfen in die Rollen der komischen dänischen Kleinganoven der „Olsenbande“. Regisseur Thorsten Brand erklärt: Ein Gangmitglied hat gegenüber einem anderen einen so genannten „Tiefstatus“ und ist entsprechend devot: „Ja, ich erledige das auf der Stelle, Chef.“ Gegenüber dem jüngeren Bandenmitglied allerdings genießt er „Hochstatus“ und kehrt den Boss raus: „Los, mach schon, besorg mir das Brecheisen!“

„Das Training soll unbedingt Freizeitcharakter behalten, denn nur so können unsere Teilnehmer den Abend ohne inneren Druck angehen“, sagt Susanne Alwart. Es solle einerseits Abstand zum Berufsalltag schaffen und andererseits ungeahnte Fähigkeiten wecken, die dann wiederum dem beruflichen Erfolg zu Gute kommen können.

Für Ines Rathmann ist dieses Ziel erreicht: „Ich habe die Möglichkeit, meine kindlich verspielte Seite herauszulassen und in eine Welt einzutauchen, die weit weg ist von meiner Arbeitswelt“, beschreibt es die 31-jährige Personalentwicklerin. Aber sie könne auch ein bestimmtes Verhalten wie beispielsweise Dominanz ausprobieren, das ihr im Beruf nützlich sein kann. Erste Erfolge kann sie da schon verbuchen: „Schließlich hab‘ ich auch Egon, den hochrangigsten der Olsenbande, gespielt.“