Haftstrafe für Entspannungspolitik

Gericht in Südkorea verurteilt deutsch-koreanischen Professor zu sieben Jahren Haft. Richter wirft ihm vor, sich von Nordkorea nicht genügend distanziert zu haben

BERLIN taz ■ Ein Gericht in Seoul hat gestern den Münsteraner Soziologieprofessor Song Du Yul wegen „pronordkoreanischer Aktivitäten“ zu sieben Jahren Haft verurteilt. Am Ende des dreimonatigen Prozesses blieb das Gericht zwar unter den von der Anklage geforderten 15 Jahren Haft für den 59-Jährigen, befand ihn aber für schuldig. Die Verteidigung hatte dagegen Freispruch aus Mangel an Beweisen gefordert und kündigte gestern laut Korea Times Berufung an.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der deutsche Staatsbürger Song Kandidat von Nordkoreas Politbüro ist. Dabei berief sich das Gericht auf den Überläufer Hwang Jang Yop. Der hatte laut Prozessbeobachtern jedoch nur gesagt, von einer Politbüro-Mitgliedschaft Songs gehört zu haben. Song hatte eine Mitgliedschaft in Nordkoreas Arbeiterpartei eingeräumt, dies aber als Formalie dargestellt.

In der Begründung machte der Richter deutlich, dass er auch Songs politische Ansichten verurteile. Der Exilant hatte mehrfach mit Konferenzen nord- und südkoreanischer Wissenschaftler im Ausland zur Entspannung beigetragen. Für eine solche Politik erhielt Präsident Kim Dae Jung den Friedensnobelpreis. Doch Richter Lee Dae Kyong warf Song vor, den Norden nie genug kritisiert und „einen schlechten Einfluss auf die friedliche Wiedervereinigung“ zu haben, „indem er die Ideologie Kim Il Sungs im Süden verbreitete“.

„Mein Mann ist ein unschuldiges Opfer südkoreanischer Machtkämpfe,“ sagte Songs Frau Chung Hee. Songs Sohn Rinn sprach von einem „skandalösen Ausgang eines politischen Schauprozesses“. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin sagte der taz: „Das Urteil wirft eine Reihe von Fragen auf, die geprüft werden müssen.“

SVEN HANSEN