Die Nato erobert kampflos den Osten

Sieben exkommunistische Staaten treten dem westlichen Militärbündnis bei. Bush: Terror als neuer Feind

BERLIN taz ■ Wenn am kommenden Freitag die Fahnen von Estland, Lettland, Litauen, Bulgarien, Rumänien, der Slowakei und Slovenien vor dem Brüsseler Nato-Hauptquartier aufgezogen werden, ist es vollbracht: Dann ist die zweite und bislang größte Erweiterung des westlichen Militärbündnisses seit seiner Gründung im Jahre 1949 perfekt.

Am vergangenen Montag hatten die Regierungschefs der sieben Neulinge während eines Festaktes in Washington formal ihre Beitrittsdokumente eingereicht. „Als Zeugen eines der größten Verbrechen des vergangenen Jahrhunderts können die neuen Mitglieder den Zielen der Allianz moralische Klarheit geben“, sagte US-Präsident George W. Bush, der die sieben als gleichberechtigte Partner begrüßte. Überdies bezeichnete Bush den Terrorismus als den neuen Feind der Allianz, der für den Tod von unschuldigen Menschen von New York bis Madrid verantwortlich sei. „Terroristen hassen alles, für was sich die Allianz einsetzt. Sie verachten unsere Freiheit. Sie hassen unseren Zusammenhalt. Sie versuchen uns zu spalten. Aber sie werden scheitern.“

Mit Verteidigungsausgaben von 100 Millionen Dollar (Lettland) bis 1 Milliarde Dollar (Rumänien und Truppenstärken von 5.500 (Lettland) bis 99.200 Mann (Rumänien) sind die Neumitglieder eher militärische Zwerge. Als Gegenleistung für die Einbindung in das kollektive Verteidigungssystem wird von ihnen vor allem eine Beteiligung an internationalen friedenserhaltenden Maßnahmen erwartet. Der Luftraum über den baltischen Ostseestaaten wird künftig von Nato-Einheiten überwacht. Dies sollen vier F-16-Jets aus Belgien von einer Basis in Litauen aus leisten. Insbesondere diesen Plan bezeichnete der russische Abgeordnete Konstantin Kosatschew als unfreundlichen Akt. „Es ist nicht auszuschließen, dass Russland die Möglichkeit prüft, angemessen zu reagieren.“ Ansonsten hielt sich Moskau, das seit 2002 im Nato-Russland-Rat mit dem Bündnis kooperiert, mit Kritik zurück.

Besonders in Bulgarien und Rumänien, die beide mit Kontingenten im Irak vertreten sind und während der US-Angriffe Militärbasen zur Verfügung gestellt hatten, ist die Mehrheit der Bevölkerung stramm auf Nato-Kurs. Zur Teilnahme an einer Demonstration anlässlich des ersten Jahrestages des Irakkrieges rafften sich in Sofia unlängst gerade mal 50 Personen auf. Der kommende Freitag ist in Bulgarien ein nationaler Feiertag.

BARBARA OERTEL

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