Nada Sebestyén

Über einem Wohnblock in Istanbul strahlt der Moskauer Himmel verwaschen blau. Neben dem Wohnwagen auf einer Brandenburger Wiese lagern Mongolen in ihren Jurten. Von den Pyramiden aus führt eine Straße geradewegs auf eine Berliner Baustelle. Die wie von einem Dschinn herbeigeblinzelten Kombinationen aus Orten, Jahreszeiten und Städtebildern ergeben sich aus dem Material, das Nada Sebestyén für ihre Collagen nutzt. Die Serie „Neubau“ (2000), die noch bis 19. April im Rahmen der 3. Berlin Biennale gezeigt wird, ist Tagebuch und Revue, von der 1968 in Gießen geborenen Künstlerin auf Reisen gesammelt. Ihr Augenmerk liegt auf Dingen, nicht weit von den touristischen Pfaden entfernt: Sehenswürdigkeiten sind ebenso präsent wie die regionalen Kuriosiäten und Alltagsszenarien. Unterwegs hat alles seinen Reiz. Erst nach der Montage auf dem Schreibtisch entfalten die Motive ihre Faszination, in der Engführung von disparaten Räumen werden die Travel Spots zu dem, was Sebestyén „ideale Landschaften“ nennt.

Verbindungen suchen, Knotenpunkte bilden: die Technik der Kollage, mit der Sebestyén arbeitet, fügt sich gut in ihre Beschäftigung mit Bildhauerei. Seit Ende der Neunzigerjahre stellt sie aus abgelegten Stoffen Skulpturen her, nutzt die in New York bei Umzügen gebräuchlichen Verpackungsdecken, um daraus Kleidungsstücke oder Environments zu nähen. Denn für Sebestyén liegen Reisen und Wohnen eng beieinander. Migration ist hier kein beklagenswerter Zustand einer globalisierten Welt, sie wird an die Frage gekoppelt, „wo und wie ich leben will“. Auch wenn die Collagen sich zu einer modellhaften Welt voll Mobilität fügen, bleiben sie Entwürfe auf dem Papier, als Visualisierung von subjektiven Erfahrungen. Das gilt auch für die 2003 in China entstandene Reihe mit Aufnahmen von Wohnhäusern, auf denen die zum Trocknen aus dem Fenster gehängte Wäsche die Fotos strukturiert: als Muster des Privaten im öffentlichen Raum. HF