Adieu, altes Haus

Die Tage des Kesslerblocks sind gezählt – sein Abriss macht den Anfang des Teneveraner Abrissmarathons. Heute und morgen wird kunstvoll Abschied genommen

April 2004: Stück für Stück, langsam und vorsichtig wird das Hochhaus Kesslerblock in Tenever abgerissen. Eine spektakuläre Sprengung würde Giftstoffe in der Bausubstanz freisetzen. Vom 70er Jahre-Betonriesen nimmt man jedoch gepflegt Abschied, heute und morgen wird in ihm „Kultur auf allen Etagen“ präsentiert. 100 Künstler (Profis und Kiga-Kids) zeigen ihre Arbeiten zum Abriss.

Selten wird einem schnöden Hochhaus eine solche Abschiedszeremonie zuteil, doch der Kesslerblock darf sich über die letzte Ehre vieler Bilder, Installationen, Performances, Theaterstücke und Filme freuen. Die Ehrungsidee hatte der „Verein zur kulturellen Breitenförderung Quartier“, das notwendige Geld die Osterholz-Tenever-Grundstücksgesellschaft. Die reißt in den nächsten Jahren in Tenever Bauten nieder (oder modernisiert sie) für mehr als 72 Millionen Euro.

Die Räumung des Kesslerblocks mit seinen 300 Wohnungen und die Umsiedlung der Bewohner in umliegende Häuser verliefen weitgehend reibungslos. Die Teneveraner sind mit ihren neuen Quartieren im gleichen Stadtteil offenbar einverstanden. „Die Leute fühlen sich hier wohler als die, die von außen hierher kommen“, meint Elke Prieß vom Quartier e.V.

Im Rahmen des Festivals soll nach weiteren Ideen für den Stadtteilumbau gefischt werden. Der dazugehörige Slogan der Initiative tenever (sp)bricht klingt wie Pop und Ewigkeit: „Tenever ist jung. Tenever ist international. Tenever ist unterentwickelt.“

Viele Projekte des Festivals setzen sich direkt mit dem Alltag in Tenever und im Kesslerblock auseinander. Neben liebevoll betitelten Beiträgen wie „Kissing a room goodbye“ heisst ein anderer etwa „...Blockland, das Grab meiner Jugend“.

Alles mündet am Freitag ins „Framefest“ (20 bis 2.22 Uhr), einer Mimesis der Wohnungslandschaft Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche. Ist die Küche wirklich „schon immer das Nervenzentrum und Herz jeder Wohnung gewesen“, wie das „Framefest“ deklariert?

Vorm inneren Auge des Kesslerblocks wird dessen Leben noch einmal vorbeiziehen. Schaulustige sind willkommen.

Robert Best

„Kultur auf allen Etagen“: heute und morgen ab 16 Uhr im Kesslerblock Tenever, Neuwiederstr. 14 (erreichbar mit der Buslinie 25)