Armin Petras inszeniert Gerhart Hauptmanns „Die Ratten“ am Thalia Theater
: Sehnsucht nach Aufstieg

„Eigentlich habe ich das eher aus Zufall gelesen, vor drei oder vier Jahren, als ich nach Frankfurt umzog“, sagt Armin Petras. Der Regisseur hatte vor 20 Jahren die gesammelten Werke von Gerhart Hauptmann von seinem Vater geerbt. Entdeckt hat er sie aber erst später, über Einar Schleefs Droge Faust Parsifal. Danach gingen ihm zwei Hauptmann-Stücke nicht mehr aus dem Kopf, Vor Sonnenaufgang und Die Ratten.

Letzteres wird er am kommenden Sonnabend am Thalia Theater inszenieren. Petras will sich an den stark dialektgefärbten Text halten: „Auf der großen Bühne möchte ich nicht zuerst ein Stück zertrümmern – in einer Stadt, die mich äußerst liebenswürdig aufgenommen hat.“ Den gebürtigen Mescheder, der in seiner Kindheit mit seinen Eltern in die DDR über- und Jahre später wieder zurücksiedelte, interessieren die vergleichsweise luxuriösen Liebesqualen der im bürgerlichen Trauerspiel durch adelige Grobiane gequälten Frauen nicht. Auf der Bühne befasst er sich mit drängenden gesellschaftlichen Problemen. „Das ist für mich eine ganz andere intellektuelle Auseinandersetzung. Da geht es weniger um Ästhetik, als um inhaltliche Fragen“, sagt Petras. Das ist ihm in seinen bislang im Thalia in der Gaußstraße gezeigten Arbeiten Fight City. Vineta, zeit zu lieben zeit zu sterben und We are Camera/Jasonmaterial, allesamt Stücke seines schreibenden Alter Egos Fritz Kater, gelungen. Als Lohn für die vor Ideen sprühenden Inszenierungen erhielt er in diesem Jahr zum zweiten Mal die Einladung zum Berliner Theatertreffen.

Schon lange sollte Petras sich auch auf der großen Bühne des Thalia präsentieren. Und da bietet sich ein Hauptmann-Text geradezu an. „Ich finde ihn nicht naturalistisch. Er ist realistisch, und das ist eine Arbeitsweise, die mir sehr entspricht“, erzählt Petras. Er schätzt die soziale Direktheit der Ratten. Die Tragikomödie erzählt von der Sehnsucht nach Aufstieg. Da ist zum Beispiel die Geschichte vom arbeitslosen Theaterdirektor Hassenreuther, der in seinem Kostümfundus auf dem Boden eines Mietshauses mit einem Pastorensohn Dispute über die Zukunft des Theaters führt. Er ist im Wartestand, hofft auf sozialen Aufstieg, der ihm mit einem Engagement in Straßburg tatsächlich widerfährt.

Im gleichen Haus vegetiert das Subproletariat mit der Alkoholikerin Knobbe und ihrem kranken Kind, während Herr John und seine Frau zum Kleinbürgertum aufstreben. Doch dazu braucht es Nachwuchs, und nach dem tragischen Tod ihres Sohnes stehen die Chancen schlecht. Der Erfolgsdruck treibt Frau John mit Hilfe ihres Bruders Bruno in kriminelle Machenschaften. Sie versucht, einer armen polnischen Dienstmagd ihr uneheliches Kind abzukaufen und löst damit tragische Geschehnisse aus. „Ihr Verhalten zeigt, wie widersprüchlich das Leben ist“, sagt Petras. Den Versuch der Behauptung des Einzelnen innerhalb eines sozialen Gefüges empfindet er heute als viel härter. Die Fluchtmöglichkeiten seien geringer geworden. Stellvertretend für einen solchen gesellschaftlichen „Flüchtling“ steht Frau Johns Bruder Bruno, ein Anarchist und Unterweltler.

Herrn John und Bruno hat Petras mit Peter Kurth übrigens in einer Doppelrolle besetzt. Er zeigt beide Möglichkeiten eines Proletariers, den bürgerlichen Aufstieg oder den Niedergang in die Unterwelt. „Ich habe eine große Sympathie für Bruno“, bekennt Petras, „Es gibt eine sehr bittere Abschiedsszene, die wir gar nicht traurig spielen. Vielleicht ist das ja eine kleine Utopie.“ CAROLINE MANSFELD

Premiere: Sa, 27.3., 20 Uhr, Thalia