Toter Fisch

„Morrina“ erzählt die Geschichte spanischer Arbeitsemigranten in Cuxhaven

„In Cuxhaven stirbt der Zug.“ Das sagte der Schaffner in Bremen zu ihnen, den Frauen aus dem spanischen Vilanova de Arousa. Ein Schild mit der Nummer siebzehn um den Hals, „wie eine Kuh“, den Arbeitsvertrag im Koffer, kamen sie Anfang der neunzehnhundertsechziger Jahre, um in den Fischfabriken zu schuften.

Heute liegt Staub in der leeren Halle des Fischversandbahnhofes im Cuxhavener Fischereihafen. Nur wenn man die Luft ganz tief einsaugt, durch die Nase, riecht man ihn noch: toten Fisch. Und dort, wo der Zug stirbt, am Beginn der Gleise, ersteht die Geschichte der spanischen Emigrantinnen mit „Morrina“, einer Inszenierung von Jens Erwin Siemsen für „Das letzte Kleinod“. Seit 1991 inszeniert die Gruppe die Geschichte der jeweiligen Aufführungsorte. Und das gibt den Stücken die Kraft, denn die Zeitzeugen sitzen im Publikum.

Ein Stück Geschichte wird zurückerobert, Lebensgeschichte vieler Anwesender an diesem Abend, aber des Wirtschaftswunders, an dem viele Deutsche sich eben nicht die Hände schmutzig machten. Dafür kamen die Frauen aus Galizien. Dreckige Arbeit, ständig nach Fisch stinkend, Aufbegehren gegen die humorlosen deutschen Vorarbeiter, sprachliche Missverständnisse, Spaß, Lebenslust.

All das dokumentiert diese Inszenierung, die auch mal mit mehr Tempo hätte daher kommen können und noch andere dramaturgische Schwächen aufweist – etwa zu wenige Perspektivenwechsel. Aber dennoch wird in beeindruckender Weise ein Stück der Realität aufgefächert, die mit konkreten Menschen und ganz und gar diesseitigen Themen zu tun hat, die sich einer Ästhetisierung auch schlichtweg entziehen. Denn Fisch stinkt nun mal und harte Arbeit machte noch nie frei. Marijke Gerwin

Heute, morgen und Samstag (jeweils 21 Uhr) im Fischversandbahnhof Cuxhaven. Kartenbestellungen unter ☎ (04749) 10 25 65