Kaum Extrawürste bei Lehrstellenumlage

„Formulierungshilfe“ des Bildungsministeriums sieht vor: Auch Unternehmen, die keine geeigneten Bewerber finden, müssen in Ausbildungsfonds einbezahlen. Fast jedes zweite Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern bildet derzeit nicht aus

AUS BERLIN JENS KÖNIG
UND ANDREAS SPANNBAUER

Die Ausbildungsumlage könnte die deutschen Unternehmen bis zu 2,65 Milliarden Euro pro Jahr kosten. Das geht aus der „Formulierungshilfe“ für das „Berufsausbildungssicherungsgesetz“ hervor, die Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) jetzt vorgelegt hat. Mit dem Geld könnten 50.000 neue Ausbildungsplätze geschaffen werden.

Mit der Ausbildungsumlage soll die Zahl der Jugendlichen ohne Lehrstelle deutlich sinken. Demnach soll der Anteil der Lehrlinge in Betrieben mindestens 7 Prozent betragen. Betriebe, die dieses Soll nicht erreichen, müssen in einen Fonds einzahlen. Unternehmen, die über der Quote liegen, bekommen Subventionen für jeden zusätzlichen Lehrling. Die Höhe der Abgabe ergibt sich aus der Zahl der Lehrstellen, die am 30. September eines Jahres fehlen.

In Regierungskreisen wurden gestern erstmals konkrete Rechenbeispiele genannt. Demnach müsste ein Betrieb mit zehn Beschäftigten, der nicht ausbildet, 1.682 Euro pro Jahr bezahlen – unter der Annahme, dass am Stichtag 20.000 Bewerber in Deutschland ohne Stelle dastehen. Ein Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitern, das lediglich zehn – statt der vorgeschriebenen siebzig – Lehrlinge beschäftigt, müsste 144.671 Euro pro Jahr zahlen. Um den Jugendlichen die Freiheit der Berufswahl zu garantieren, soll die Zahl der Ausbildungsplätze 15 Prozent über der Zahl der Bewerber liegen.

Kleinbetriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern und von Insolvenz bedrohte Unternehmen bleiben von der Umlage befreit. Unternehmen dagegen, die bisher aus formalen Gründen keine Ausbildungsgenehmigung haben, müssen die Umlage bezahlen. Auch Betriebe, die zwar Lehrstellen anbieten, aber diese nicht besetzen, weil es keine geeigneten Bewerber gibt, sind von der Umlage betroffen – Jugendliche, die von der Bundesanstalt für Arbeit als nicht ausbildungsfähig eingestuft werden, werden bei der Feststellung der fehlenden Lehrstellen nicht berücksichtigt. Von 347.000 Unternehmen, die mehr als zehn Mitarbeiter haben, bilden derzeit rund 150.000 nicht aus.

Die Formulierungshilfe wandert bis Ende dieser Woche durch alle beteiligten Ministerien. Am Ende der Woche soll dann eine Stellungnahme der Regierung vorliegen. Die SPD-Fraktion will bereits nächsten Dienstag einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschieden. Dieser könnte dann im Bundestag noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering legt Wert darauf, dass der endgültige Gesetzentwurf aus den Fraktionen kommt. „Wir werden das so machen – oder auch nicht. Die Fraktion hat eigene Vorstellungen“, sagte Müntefering. Der SPD-Chef nannte die Umlage durch Beschlüsse von zwei Parteitagen „hinreichend legitimiert“. Er hänge aber nicht an der Regelung: „Wenn die Wirtschaft ausreichend Lehrstellen zur Verfügung stellt, dann bleibt das Gesetz in der Schublade.“

Den Streit mit den Kritikern spielte er herunter. „In der Zielsetzung gibt es keine Differenz“, sagte er. „Nur in der ein oder anderen Frage, wie man dieses Ziel erreicht.“ Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück lehnen die Umlage ab. Diese ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig, könnte aber mit einer Zweidrittelmehrheit der Länderkammer gestoppt werden.