NIEDRIGE WAHLBETEILIGUNGEN SCHADEN DEN EU-REFERENDEN NICHT
: Viele Schweiger sind dafür

Hübsch ist an den unterschiedlichen Ergebnissen bei den Volksabstimmungen über den EU-Beitritt die Vielfalt Europas abzulesen. Das erste Referendum in Malta ergab bei einer beeindruckenden Wahlbeteiligung von 91 Prozent eine knappe Zustimmung von 54 Prozent; genau andersherum reagierte die Bevölkerung in den vier anderen Beitrittsländern in der östlichen Hälfte des Kontinents: Bei knappen Wahlbeteiligungen zwischen 46 Prozent in Ungarn und 64 Prozent in Litauen pendelt der Anteil der Ja-Stimmen um 90 Prozent; seit dem Wochenende ist die Slowakei mit ihren 92,5 Prozent Zustimmung der neue europäische Musterknabe.

Zu Beginn der neunteiligen Abstimmungsserie galt es noch keinesfalls als sicher, dass alle Länder zustimmen werden. Inzwischen ist die Sorge, dass die Referenden in Polen und Tschechien scheitern, weitgehend verflogen. Die Urnengänge haben zwar ihren symbolischen Charakter in den Beitrittsländern nicht ganz eingebüßt, aber ihre politische Ausstrahlung wird immer geringer. Sie sind im Kern nur noch technischer Natur – ohne Referendum und Zustimmung kein Beitritt, basta. Die niedrigen Wahlbeteiligungen werfen dabei nicht ernsthaft Legitimationsprobleme auf. Im Gegenteil: Westliche Teilnahmewerte sind im Osten nicht zu erwarten. Dabei dürfte ein Gutteil der Abstinenten sogar dem Ja-Lager zuzurechnen sein; sie haben sich nur deswegen nicht beteiligt, weil abzusehen war, dass sowieso eine Mehrheit zustande kommen wird. Zudem hat kaum eine EU-feindliche Strömung die Wahlabstinenz als regelrechte politische Strategie gegen die EU-Erweiterung propagiert.

Und schließlich verhalten sich im östlichen Beitrittsgebiet auch weiterhin viele Bewohner so uneindeutig, wie sie es aus der „alten Zeit“ des Realsozialismus gewohnt waren. Sie nehmen die riesigen Reformanstrengungen, die der Beitritt ihren Ländern abverlangt, als notwendig hin: Fremdbestimmung kann durchaus sinnvoll sein, wenn sie aus Brüssel kommt statt aus Moskau. Aber für etwas, mit dem sie jahrzehntelang schlechte Erfahrung gemacht haben, jetzt auch noch Zustimmung zu verlangen, ist zu viel verlangt. DIETMAR BARTZ