Die Linkspartei lässt auf sich warten

Ein Auftakt in gedämpften Tönen: Die Initiative von Gewerkschaftern gegen die Agenda 2010 stellt sich vor – und traut sich nicht recht, ihren Weg zu formulieren. Ob sie Partei, Sammelbewegung oder Bürgerinitiative werden will, ist ihr selbst unklar

Der Termin ist eben improvisiert, das Gesagte darf nicht zu streng bewertet werden

AUS NÜRNBERG DANIEL SCHULZ

Sie konnten nicht gewinnen. Nicht in diesem Saal mit Farben zwischen stahl- und leberwurstgrau. Nicht vor dem Hintergrund der fadenscheinigen rot-blau-gelben Gardinen, ein paar Topfpflanzen und zwei gußeisernen Zimmerlaternen. Die Initiatoren der „Initiative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ lächelten tapfer. Die Fotografen im Nürnberger Hotel „Arvena Park“ stöhnten nur, weil der Pressesprecher ungünstig in der Mitte saß.

Dabei waren die Aktivisten angetreten, um endlich zu sagen, was sie wollen. Fünf Gewerkschafter und ein Volkswirtschaftsprofessor aus Hamburg, alle in der SPD. Dazu eine Gewerkschafterin, parteilos. Vor dem SPD-Parteitag am Sonntag. Franz Müntefering wird neuer Vorsitzender, den sechs Sozialdemokraten droht der Ausschluss. Und dennoch haben sie nicht die Gründung einer neuen Partei bekannt gegeben. Sie haben nicht einmal gesagt, wann sie sich dafür oder dagegen entscheiden werden. So richtig, scheint es, mochten sie gar nicht gewinnen.

„Wir lassen uns ein breites Zeitfenster“, sagt Thomas Händel, Gewerkschaftssekretär aus Fürth, 32 Jahre SPD-Mitglied. Genaueres sagen will er nicht. Ein breites Zeitfenster sei eben ein breites Zeitfenster. „Wir wollen unserer SPD die Chance geben sich zu ändern“, sagt Gerd Lobodda, Gewerkschaftssekretär aus Schweinfurt, 30 Jahre SPD-Mitglied. Lobodda spricht das Wort „unsere“ sehr laut. Dann wird er metaphysisch: „Müntefering kann der Partei am Sonntag noch ihre Seele wiedergeben.“ Lobodda spricht viel über die Seele. Wie die seine gekränkt worden sei in der SPD, immer wieder. 1966 ist er eingetreten. Und habe die Partei sofort wieder verlassen sollen, weil er gegen die Notstandsgesetze war. Freunde bekamen damals ebenfalls Ärger. Dann sei die gute Zeit unter Brandt gekommen, doch nun die Agenda 2010. „Das unsozialste, was die Partei gemacht hat“, findet Lobodda und guckt dabei traurig. „Lobodda hängt sehr an der SPD“, sagt Mitinitiator Herbert Schui, der Volkswirtschaftler später. Lobodda spricht ungern selbst über die Möglichkeit einer Parteigründung. Er sagt: „Wir wollen eine Sammelbewegung.“ Das wird als Uneinigkeit der Initiative verstanden werden. Als Ziellosigkeit. Irgendwann sagt jemand, man wolle eine Art Bürgerinitiative sein. Alle nicken eifrig.

Diese Pressekonferenz sei eben improvisiert, sagt Sprecher Thomas Maier mehrmals. Das Gesagte dürfe nicht zu streng bewertet werden. Es sei nicht leicht, gegen die professionelle Medienmaschine der SPD und des Kanzleramts anzugehen. Was er mit der nebulösen Anschuldigung meint, bleibt unklar.

Gewerkschaftssekretär Händel zählt erst einmal auf, dass die Initiative die Unterschriften von 300 Unterstützern habe, 75.000 Mal sei in den vergangenen zehn Tagen auf die Webadresse www.initiative-asg.de zugegriffen worden. „Nur in Mecklenburg-Vorpommern nicht“, scherzt Händel, „aber da ist das Internet vielleicht nicht so weit entwickelt.“ Es lacht niemand. Im Osten wird das nicht gut ankommen. Überhaupt der Osten. Da ist die PDS. Will die Initiative mit den Sozialisten zusammenarbeiten? „Die PDS ist nie im Westen angekommen“, sagt Händel. Und außerdem seien Parteien ohnehin erst einmal nicht relevant. „Unsere Unterstützer kommen aus allen Parteien, aus allen Berufsgruppen.“ Dann zählt Händel vom Arbeitslosen über ehemalige Bürgermeister bis hin zu Heilpädagogen alles auf. Das soll zeigen – diese Bewegung ist kein Gewerkschaftsunternehmen. Klaus Ernst, Gewerkschaftssekretär aus Kempten, wird laut, als er sagt, dass die Kampagne nicht der IG Metall dienen soll. Die müsse keine Sympathien zurückgewinnen und Mitglieder schon gar nicht. „Massenaustritte hat es bei uns nie gegeben.“ Lieber gibt sich die Initiative als Attac für Reifere.

Irgendwann bemerkt Herbert Schui, dass der Auftritt der Initiatoren „verfusselt“. Und sagt, was er will: Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, weniger Abgaben für die Armen, mehr für die Reichen. Er hantiert mit Zahlen, sagt noch, dass die Gemeinden mehr Geld bekommen müssen. „Es gibt Alternativen zum Sozialabbau“, sagt Schui, „wir wissen, dass es Reformen geben muss.“ Da plötzlich sind sich die Aktivisten und ihre SPD einig.