frau schwab lernt polnisch (5)
: Kolasińskis Stunde

VON WALTRAUD SCHWAB

Die taz macht fit für den EU-Beitritt Polens am 1. Mai: Lernen Sie Polnisch an der Volkshochschule Mitte mit Artur Kolasiński (Lehrer) und der Reporterin Waltraud Schwab (Schülerin). Die fünfte Stunde:

Das war eine blöde Stunde. Nicht weil sie schlecht war, sondern weil sie gut war. Kolasiński war in Höchstform. Alles steht und fällt mit dem Lehrer. Er fordert, was wir geben können und ein bisschen mehr. Zwei Stunden lang hat uns Kolasiński, der übrigens aus einem Kaff bei Danzig kommt, wie er sagt, auf hochkarätige Weise wie Pferde an seine Zügel genommen, dabei jedoch immer genug Luft gelassen, damit wir nicht rebellieren. So hat er uns durch den Unterricht geführt, angefangen beim Blitzlicht zu Unterrichtsbeginn bis zur Frage am Ende: „Wie kommst du nach Hause?“ – Czym wracasz do domu (tschim wraatzasch do doomu).

Was daran blöd sei, möchten Sie wissen? – Sie werden es merken. Der Text hier wird genauso anstrengend wie die Stunde, denn Unvorhergesehenes ist ausgeschlossen, solange der Lehrer uns, die Schüler und Schülerinnen, in seiner Aufmerksamkeitszange hält: Keine abwegigen Gedanken, keine Lachsalven, keine kleinen Geschichten zum Abschweifen. Etwa über meine Freundin-przyjaciółka. Die hat doch heute-dziś Geburtstag. Ich habe sie im Café-kawiarnia zurückgelassen mit ihrer Mama-mama. – An nichts von alledem denke ich. Die Aufmerksamkeit gehört einzig Kolasiński. „Wie ist es Ihnen ergangen?“, fragt er. „Ich merke, dass ich mehr üben muss“, sagt Thomas, der kanadische Diplomat. Keine Hausaufgaben hat auch Hans gemacht. Seine Entschuldiung: „Ich war im Auftrag des Kapitals unterwegs.“ Hans ist Ökonom – On jest ekonomista.

Zur kollektiven Einstimmung lässt uns Kolasiński wieder seine magischen 300 Wörter lesen. Dieses Mal mit dem Fokus auf die echten Zungenbrecher: źdźbło, ździenbełko, dźwignica, żelazny, dżdżownica, drżeć, drzeć – (sprich: sch-dschbwo, sch-dschänbeewko, d-schwignitza, schälaatzni, dsch-dschownitza, dr-schäsch, d-dschäsch.) Was die Wörter heißen, wissen wir nicht. Die Übung nimmt uns auch so mit. Nach dem Unterschied zwischen drżeć und drzeć befragt, antwortet Kolasiński, dass das eine „zittern“, das andere „zerreißen“ heiße. Unterschiedsbagatellen sind das, so weit sind wir uns einig, jedenfalls nicht.

Um uns unsere Fortschritte zu demonstrieren, verwickelt uns der Lehrer in der nächsten Runde in Gespräche. „Für was interessieren Sie sich?“, fragt er auf Polnisch. „Ich interessiere mich für gute Musik“, antwortet Peter, mein Schulfreund. „Tylko?“ – Nur?, fragt Kolasiński. Peter versteht nichts. „Ich interessiere mich für Musik und für Literatur und für Kunst, und du interessierst dich nur für gute Musik?“, interveniert Kolasiński in seiner Muttersprache. Es dauert eine Weile, bis Peter kapiert, was der Lehrer will. Dann aber gibt es kein Pardon mehr. „Gdzie mieszkasz? – Wo wohnst du?“ „In Berlin.“ „Ist Berlin eine gute ‚lokalizacja‘? Kennst du die polnische graniza-Grenze? Wohnst du im ‚centrum‘ oder in der ‚peryferia‘? Kehrst du mit dem samachod-Auto oder dem rower-Fahrrad do domu-nach Hause zurück? Wo arbeitest du? Wie ist die Arbeit? Was bist du von Beruf? Ist die Arbeit interesantny? Ist der Chef inteligentny? Ist der Chef dobry-gut?“ Wie eine Maschine rattert aus Kolasiński polnische Frage auf polnische Frage. Ganz entspannt wirkte er in seinem Stuhl am Pult, wären da nicht jene „V-Falten“, die sich direkt über seiner Nase tief in seine Stirn graben. Sie erinnern von der Form her an das Logo von Citroën. Es muss anstrengend sein auch für ihn, uns gekonnt mit jenen Wörtern, die wir vom Deutschen ableiten können, das Gefühl zu geben: Wow, mit uns kann man sich schon unterhalten.

Um uns endgültig fit zu machen für unseren ersten Ausflug ins benachbarte Ausland, führt uns Kolasiński in dieser Stunde noch in die Geheimnisse der zwischenmenschlichen Freundlichkeiten ein: Dzień dobry (dschin dobre) – guten Tag. Do widzenia (do widtzäänia) – auf Wiedersehen. Co słychać (tso swüechatsch) – wie geht’s? Bardzo dobrze (bardtzo dobschä) – sehr gut, jako tako – es geht so, źle (schlä) – schlecht, nie źle (niä schlä) – nicht schlecht. „Ich rate Ihnen, derzeit noch nicht mit ‚schlecht‘ zu antworten, denn die Polen nehmen Ihre Antwort ernst. Sie aber könnten ihren Gemütszustand ja gar nicht erklären“, meint Kolasiński.

Co słychać (tso swüechatsch) – wie geht’s –, übt mein Schulfreund Peter später auf dem Weg zur Oranienburger Straße und fragt mich, ob ich mit ihm auf Recherchereise an die polnische Grenze fahren will.

Tipps zum Durchhalten an: polnisch@taz.de