Ein Fall von „Nestbeschmutzung“: Wolfgang Staudtes „Herrenpartie“ im Metropolis
: Lieber Herr Gesangsverein

Im restaurativen Klima der Adenauer-Ära war Wolfgang Staudte (1906-1984), der mit Die Mörder sind unter uns 1946 den ersten deutschen Nachkriegsfilm gedreht hatte, praktisch der einzige Regisseur, dessen Filme sich immer wieder kritisch mit dem Nationalsozialismus auseinander setzten. Wofür er sich denn auch regelmäßig von den verschiedensten Seiten als „Nestbeschmutzer“ beschimpfen lassen musste.

Im Jahr 1963 gedreht und 1964 uraufgeführt, bildet Herrenpartie nach Rosen für den Staatsanwalt (1959) und Kirmes (1960) den Abschluss seiner Trilogie über das hartnäckige Ausblenden der Vergangenheit in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft. Mit einer Mischung aus Schicksalsdrama und politischer Satire, die er mit Der Untertan perfektioniert hatte, entwirft er darin ein Szenario, dem es an Zuspitzung wahrlich nicht mangelt.

Ein repräsentativer Querschnitt durch das deutsche Bürgertum, dargestellt von einem achtköpfigen Männergesangsverein auf Urlaub in der jugoslawischen Provinz Bosnien, verschlägt es in ein winziges Bergdorf, in dem fast ausschließlich schwarzgekleidete Frauen zu leben scheinen. Es stellt sich heraus, dass deren Männer Ende 1943 von deutschen Soldaten als Geiseln erschossen wurden.

„Ihr habt aus unserem Dorf ein Grab gemacht,“ macht die Wortführerin den Sangesbrüdern unmissverständlich klar. Zwar fällt denen da erst mal die Kinnlade runter, aber dann haben sie, als man ihnen nichts zu essen anbieten will, keinerlei Skrupel, kurzerhand ein Schaf zu stehlen und sich – in feuchtfröhlicher Sangeslaune – mit „Herr Hauptfeld“ anzureden. Allein dem jüngsten der Gruppe (Götz George) geht da endlich auf, dass man wohl keine Lehren aus der Vergangenheit gezogen habe.

Staudte zeichnet mit ziemlich dickem Strich, was die Identifikation der Zuschauer mit den Männern sicher erschwerte und viele Kritiker veranlasste, es sich leicht zu machen und den Film wegen undifferenzierter Charakterzeichnung gleich ganz abzutun.

Auch die Filmbewertungsstelle in Wiesbaden verweigerte Herrenpartie aufgrund angeblicher handwerklicher Mängel wie zuvor schon Kirmes das Prädikat „wertvoll“, welches damals noch der konventionellste Unterhaltungsfilm bekam. Bestürzt, weil wissend, dass nur politische Gründe den Ausschlag gegen seinen Film gegeben hatten, protestierte Staudte dagegen. Erfolglos, nicht zuletzt sicher deshalb, weil es sich bei dem Sprecher des Gremiums mit Karl Korn um einen während der Nazizeit gut beschäftigten Publizisten handelte ...

Eckhard Haschen

Heute, 19 Uhr, Metropolis