Bund will Schnüffelmonopol

Landesämter für Verfassungsschutz sollen abgeschafft und dem Bundesamt unterstellt werden. Bayerns CSU macht Ausweisung auf Verdacht zur Bedingung für eine Einigung bei Zuwanderung

BERLIN taz ■ Der Verfassungsschutz soll zentralisiert werden. Nach den Anschlägen von Madrid wollen führende Politiker von CDU, Grünen und SPD dem Bundesamt für Verfassungsschutz mehr Kompetenzen einräumen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, forderte gegenüber der taz eine Auflösung der Verfassungsschutzbehörden auf Landesebene. „Man könnte auf die eigenständigen Landesämter auch verzichten“, sagte Beck. Auf jeden Fall solle die Kompetenz für „Terrorismus und überregionalen Extremismus“ beim Bundesamt angesiedelt werden.

Ähnliches verlangte der nordrhein-westfälische CDU-Landesvorsitzende Jürgen Rüttgers. Er will in den nächsten Wochen ein entsprechendes Strategiepapier vorlegen. Darin ist ebenfalls vorgesehen, die Landesämter für Verfassungsschutz dem Bundesamt zu unterstellen.

In der SPD gibt es dagegen Bedenken gegen eine vollständige Zentralisierung der Geheimdienste. Der SPD-Abgeordnete Dieter Wiefelspütz sagte der taz, er halte den Vorschlag von Rüttgers „nicht für richtig“. Wiefelspütz schlug vor, die Verfassungsschutzbehörden einzelner Länder zusammenzulegen. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) beurteilte eine Zusammenlegung einzelner Geheimdienste äußerst skeptisch. Die parlamentarische Kontrolle sei dann sehr schwierig, sagte Beckstein in München. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber forderte die sofortige Ausweisung terrorverdächtiger Ausländer auch ohne eine gerichtliche Verurteilung. Heute reiche noch nicht einmal die Teilnahme an einem Al-Qaida-Ausbildungslager für eine Ausweisung. Wenn diese Lücke nicht geschlossen werde, könne es kein gemeinsames Zuwanderungsrecht geben. Beckstein sagte klipp und klar: „Ohne dass wir hier zu einer Regelung kommen, werden wir einem Zuwanderungsgesetz nicht zustimmen.“ Der Grünen-Parteivorsitzende Reinhard Bütikofer erklärte, Stoibers Vorschlag sei „der unverfrorene Versuch, aus dem Sicherheitsbedürfnis vieler Menschen parteipolitisches Kapital zu schlagen“. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Nadeem Elyas, warnte in Hannover vor einer stärkeren Überwachung von muslimischen Organisationen. Muslime fühlten sich dadurch an den Rand der Gesellschaft gedrängt. „Das macht sie empfänglicher für Fanatismus und Extremismus.“

Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac forderten in Paris eine verstärkte internationale Zusammenarbeit gegen den Terrorismus. Beide wollen die Arbeit der nationalen Geheimdienste in der EU besser abstimmen. ANDREAS SPANNBAUER

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