irak
: Rückzug schützt nicht vor Terror

Manchmal wirken Dinge so, als ob sie zusammenhängen, obwohl sie es nicht tun. Der Umstand, dass die Bomben von Madrid drei Tage vor den Wahlen explodiert sind, ist in den hiesigen Medien sofort umstandslos zusammengedacht worden: Die Anschläge sind erfolgt, weil es die Wahlen gab. Nach dieser zweckrationalen Logik hätten die islamistischen Täter erst recht durch den angekündigten Abzug der spanischen Truppen aus dem Irak Anlass zu feiern.

KOMMENTARVON DIETMAR BARTZ

Aber das ist schneller behauptet als begründet. Keine der bisher veröffentlichten Erklärungen erlaubt den Schluss, dass hinter den Attentaten der Gedanke an eine irgendwie kalkulierte politische Wirksamkeit stand; auch die spanischen Wahlen blieben unerwähnt. Einen Inhalt hat die blutige Botschaft durchaus: Rache, Vergeltung. Aber sie erhebt keine fassbare Forderung.

Durch den spanischen Schwenk in der Irak-Politik haben nun auch in Italien und Polen die Forderungen der Bush-Kritiker Auftrieb erhalten, die eigenen Truppen aus dem Irak zurückzuziehen. Explizit oder heimlich sind solche Forderungen mit der Hoffnung verbunden, dadurch künftigen Anschlägen zu entkommen. Doch wo es Fundamentalisten nicht um Politik vor religiösem Hintergrund geht, sondern um den Endkampf im heiligen Krieg gegen die Feinde des Islams, sind ihnen die Unterschiede europäischer Irak- oder Afghanistan-Politik gleichgültig.

Das macht die Bestrebungen des Westens nicht weniger ehrenhaft, den Fundamentalismus dadurch zu bekämpfen, dass er arabischen oder islamischen Gesellschaften eine größere Wertschätzung entgegenbringt. Akzeptanzpolitik ist richtig, und auch ihr Beiprodukt – Antidiskriminierung, Antirassismus – ist erfreulich. Aber terroristische Anschläge lassen sich damit nicht verhindern. Den Tätern sind ja selbst muslimische Opfer gleichgültig, weil sie in den Augen der Islamisten keine Muslime mehr sind.

Ohnehin wäre ein Rückzug ausländischer Truppen aus dem durch die USA destabilisierten Irak unverantwortlich. Vor allem aber hätte dies nichts mit dem Schutz vor Terror „in der Heimat“ zu tun. Wer auf eine Unterscheidungsfähigkeit von Al-Qaida-Islamisten zwischen Noch- und Exbesatzern hofft, teilt die Regierungen in „schuldig“ und „nicht schuldig“ ein und rechtfertigt damit auch ihre „Bestrafung“. Ein Denken, das kaum weniger furchtbar ist als das Denken der Terroristen.