Auslandswahlrecht als Farce

Millionen philippinische Arbeitsmigranten können erstmals an Wahlen in der Heimat teilnehmen. Doch das ist so aufwändig, dass sich nur 374.000 registrieren ließen

MANILA taz ■ Seit vergangenen Freitag können erstmals im Ausland lebende Filipinos und Filipinas an die Wahlurne treten und damit an Wahlen in der südostasiatischen Heimat teilnehmen. Damit beginnt ihre Wahl bereits zwei Monate, bevor ihre Landsleute in den Philippinen am 10. Mai über ihren Präsidenten, den Stellvertreter und das Parlament aus zwei Kammern abstimmen.

Preiswerte, verhältnismäßig gut ausgebildete und vor allem englischsprachige Arbeitskräfte sind Hauptexportprodukt des Inselstaats, einer frühreren US-Kolonie. Mehr als sieben Millionen Filipinos und Filipinas, knapp zehn Prozent der Bevölkerung, arbeiten als Krankenschwestern, Hauhaltshilfen, Kindermädchen, Musiker, Bauarbeiter oder Seeleute im Ausland, davon etwa knapp zwei Millionen illegal. Schwerpunktregionen sind die Golfstaaten und reiche asiatische Nachbarn wie Hongkong, Singapur und Japan.

Jetzt sind immerhin 1,7 Millionen Arbeitsmigranten formal zur Wahl berechtigt. Senator Edgardo J. Angara hat das neue Wahlrecht mit durchgeboxt. „Es gab im Kongress eine starke Opposition. Viele sind der Meinung: wer das Vaterland verlässt, sollte auch nicht über Politik und Regierung bestimmen.“

Für diese nationalistische Einstellung hat der Senator kein Verständnis: „Man muss sich klar machen, dass die Philippinen ohne die Arbeitsmigranten ökonomisch viel schlechter dastünden.“ Die Arbeitsmigranten überweisen jährlich mehr als 6 Milliarden US-Dollar an ihre Familien in der Heimat, das entspricht knapp 20 Prozent der Exporteinnahmen des Landes. Bei aller Freude über das im Februar 2003 verabschiedete Auslandswahlrecht räumt Angara allerdings ein: „Es hat Schwächen.“

Damit kämpften die Wahlberechtigten bereits bei der Registrierung. So mussten sie die nächste Botschaft oder ein Konsulat in ihrer Wahlheimat aufsuchen. Dort müssen sie zur Wahl zwischen 12. März und 10. Mai erneut persönlich erscheinen. Briefwahl wird nur in Kanada, Japan und England getestet.

„Das ist eine Riesenhürde“, sagt Angara verärgert. „Wir haben weltweit keine 80 Vertretungen. Viele Wahlberechtigte müssten zweimal für Flug- und Hotelkosten aufkommen und Urlaub opfern. Wer im Ausland lebt, um jeden Cent nach Hause zu schicken, kann und will sich das nicht leisten.“

So ließen sich denn auch nur 364.000 Auslands-Filipinos registrieren, weniger als ein Prozent der auf den Philippinen angemeldeten Wähler. „Die Politiker haben vieles unnötig kompliziert gemacht“, meint Alioden Dalaig, Leiter der Rechtsabteilung der Nationalen Wahlbehörde in Manila. Die Registrierungen würden von den Auslandsvertretungen nach Manila geschickt, von dort zur Überprüfung der Identität zu den Provinzbehörden und zurück zur Wahlbehörde, wo Wählerlisten für die Botschaften erstellt würden. „Statt sicherzustellen, dass sich niemand eine Wahlerlaubnis erschleicht, gehen auf diesem endlosen Weg natürlich Anträge verloren“, so Dalaig.

Auch die Auszählung der Wahlzettel bereitet ihm Kopfzerbrechen. Da im Januar das Oberste Gericht in Manila ein geplantes computerisiertes Verfahren stoppte, muss nun wieder mühsam per Hand ausgezählt werden. „Wir brauchen allein in Saudi-Arabien, wo knapp 91.000 Wahlberechtigte registriert sind, mehr als 550 Helfer. Die Botschaften wollen, dass wir Leute aus Manila schicken, aber dafür haben wir kein Budget.“

Senator Angara sieht das gelassen: „Die Wahlbehörde ist mit 250.000 US-Dollar gut genug ausgestattet, um die Auslandswahlen zu organisieren. Zum Zählen schicken wir natürlich niemanden um die halbe Welt.“ Die Botschaften könnten Helfer unter den ortsansässigen Filipinos rekrutieren. „Nur innerhalb Asiens entsenden wir einen Offiziellen zur Überwachung. Obwohl Wahlbetrug im Ausland fast ausgeschlossen ist“, meint der Politiker und lässt damit offen, ob er es auf den Philippinen für wahrscheinlicher hält.

Wie viele politische Beobachter ist auch Angara der Überzeugung, dass die Auslands-Filipinos und -Filipinas bei ihrer Wahl andere Kriterien anlegen als ihre Familien und Freunde zu Hause. „Sie achten sicher mehr auf die politischen Programme und Qualifikation der Kandidaten als auf deren Popularität. Ihre Wahl wird nicht so emotional bestimmt sein, sondern mehr an Fakten orientiert.“ HILJA MÜLLER