der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR
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… ist nicht überall willkommen. Nicht in diesem gemütlichen Café in Charlottenburg, in dem die nervöse Kellnerin an den Tisch der beiden verliebten Männer tritt, um sie zu bitten, das Lokal zu verlassen, einige Gäste hätten sich schon beschwert. Nicht in Neux-les-Mines, dieser Kleinstadt in Nordfrankreich, in der Jugendliche im Januar einen Schwulen anzündeten, nachdem sie ihn monatelang vorher verfolgt und drangsaliert hatten. Das 35-jährige Opfer überlebte schwer verletzt.

Und auch nicht in Altötting, Deutschlands größtem Marienwallfahrtsort und dem „religiösen Herzen von Bayern“. Denn seitdem ein grüner Kommunalpolitiker angekündigt hat, den CSD am 3. Juli 2004 auch in Altötting zu feiern, tobt die Abwehrschlacht. Zumindest auf den Leserbriefseiten des Alt-Neuöttinger Anzeigers. „Verehrte Obrigkeit von Kirche und Stadt“, bittet da Maria Bucher aus der Kapuzinerstraße, „erkämpft mutig ein Verbot!“ Denn: „Immer öfter müssen wir Christen erleben, dass Satan, der Durcheinanderbringer, umherschleicht, ja heutzutage tanzt und tollt, da man ihn verleugnet, um die Menschen durch die vielen Vergnügungen und Süchte zu verführen und zu verschlingen in sein finsteres Reich.“ Und Therese Küster sekundiert: „Bürger guten Willens, wehrt euch gegen die Schwulenparade, oder will man den Fluch Gottes herabziehen?“

Es gibt aber auch das eine oder andere mitfühlende Herz, wie das von Charlotte Rauch: „Es gibt unter denen traurige Schicksale … Vielleicht wollen einige derer ihre Probleme bei der Muttergottes erleichtern?“ Das hofft auch Hildegard Porst: „Sollten diese Leute nach Altötting kommen, dann aber leise und um andächtig zu beten.“ Und warum überhaupt noch demonstrieren? „Gleichgeschlechtliche Lebenspartner werden überhaupt nicht mehr diskriminiert, weshalb der Aufmarsch der Homos überflüssig ist wie ein Kropf“, grantelt Jakob Geier. Vom Ende der Diskriminierung weiß auch Antonie Wimmer zu berichten: „In unserem Jahrhundert sind sie meistens akzeptiert und als wertvolle Menschen anerkannt. Sie sind prima Geschäftspartner und belästigen niemals eine Frau.“

Voll der Güte äußert sich Josef Garnweidner. Er plädiert für „ein Schmunzeln über Gottes so überaus reichhaltigen Kindergarten, der täglich neues Kasperltheater auf die Bühne bringt, egal wo wir hinschauen, in die Schwulen-, Politiker-, (Zahn-)Ärzte- oder sonstige Szene.“ Dagegen voll des Zorns über seine intoleranten Mitbewohner ist Rudolf Saller, Rechtsanwalt aus der Kolbergstraße und für die „Freien Wähler“ im Stadtrat: „Sind nicht auch gleichgeschlechtliche Lebenspartner Menschen wie du und ich, oder sind die sogenannten ‚Heteros‘ gleicher im Sinne von George Orwell?“ Und: „Wer heute den Stab über Lesben und Schwule bricht, muss morgen Ehebrecherinnen steinigen und übermorgen wieder Hexen verbrennen. Mir graut davor!“ Nicht ganz so viele Worte macht Alexandra Pauler: „Ich freue mich schon riesig auf diesen Tag.“

Zu früh gefreut! Der direkte Draht von Maria, Therese und Hildegard nach ganz oben hat wieder mal funktioniert, die Parade wurde inzwischen abgesagt, es bleibt eine Kundgebung mit ein paar warmen Worten und leichter Musik.