berliner szenen Der schwule Blick

Alles Rosa

Daniel ist aus der Provinz nach Berlin gekommen. Jetzt sitzt er da, auf der bunten Tagesdecke, Schulter an Schulter mit einem anderen. „Du gefällst mir, mein Junge“, sagt er, zeitverzögert zur Mundbewegung. Rosa von Praunheims 1970 gedrehter Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ birgt enormes komisches Potenzial. Uraufgeführt wurde er im Arsenal und hier läuft er auch heute, im Rahmen der berlin biennale. „Schwule wollen so kitschig sein wie der Durchschnittsbürger“, sie sehnen sich nach „einem frischen unverdorbenen Jungen, so lieb und verspielt wie ein Schäferhund“, lässt das Voice-over nicht ohne Pathos wissen. Man träumt am Wannsee vor sich hin, pflegt dandyeske Zusammenkünfte und sein onduliertes Haar. „Ich bin auf einmal so alleine“, singt Alexandra dunkel, und Daniel hat „außer dem Schwulsein“ keine anderen Interessen mehr.

Weil eine Parkszene stumm ist, vermutet man einen technischen Fehler und bricht den Film ab. Gut, dass Rosa von Praunheim da ist, der darauf hinweist, im Park sei es eben manchmal stumm. Als wolle sie es dem Film gleichtun, reist auch die anschließende Diskussion ein wenig in die Vergangenheit. Verloren geglaubte Sätze lassen sich hören, „An dieses Projekt könnte man irgendwie ansetzen, finde ich“, oder „Ich hab das Gefühl, dass es keine großen Utopien mehr gibt“. Abgesehen vom „Sprachduktus“ sei der Film noch immer aktuell. Trotz Wowereit. Ob Praunheim als Professor den „schwulen Blick“ lehre? In seinen pädagogischen Anfängen in San Francisco 1977 habe er ein Pornomodell gemietet und die Studenten den Sex filmen lassen. Heute unterrichtet Praunheim an der HFF. Ob man dort noch darauf wartet? KATRIN KRUSE