Ohne Bomben auf den Bahnhof

CSU will Kontrollen auf Bahnhöfen und Einsatz der Bundeswehr im Inland

„Ein Panzer vor dem Reichstag hilft niemandem“ (Dieter Wiefelspütz, SPD)

AUS BERLIN ANDREAS SPANNBAUER

Nach dem Blutbad in der spanischen Hauptstadt wird nun auch in Deutschland darüber gerätselt, wie sich solche Terroranschläge künftig verhindern lassen. „Der Terrorismus rückt näher“, warnte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) gestern bei einer Trauerfeier im Bundestag indirekt vor Attentaten in Deutschland. Nach dem Massaker von Madrid, bei dem Terroristen in vier Pendlerzügen Sprengsätze zündeten und 198 Menschen töteten, stand vor allem die Frage im Mittelpunkt, wie Bahnhöfe und Züge sicherer gemacht werden können.

Als Erster preschte dabei der CSU-Politiker Norbert Geis vor. „Wir müssen auf den Bahnhöfen ähnliche Sicherheitskontrollen wie auf Flughäfen einführen“, verlangte Geis. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz zeigte sich offen für die Vorschläge: „Das kann von Fall zu Fall möglich sein.“ Die Bahn dagegen lehnte Sicherheitsschleusen und Durchleuchtungen auf Bahnhöfen umgehend ab. „Ich halte diese ganzen Vorschläge für bedenklich“, sagte ein Sprecher der Deutschen Bahn AG der taz. „Dass man die Bahnhöfe zu einem geschlossenen System erklärt, halte ich für nicht möglich.“

Auch die grüne Innenexpertin Silke Stokar wies die Vorschläge aus der CSU als „Symbolik“ zurück. „Wir können nicht jeden Provinzbahnhof überwachen“, sagte Stokar im Gespräch mit der taz. Weil die Fahrgäste – und damit auch mögliche Attentäter – an unzähligen Haltepunkten zusteigen könnten, sei eine wirksame Kontrolle „nicht umsetzbar“.

Stokar sprach sich jedoch dafür aus, „die Qualität der Videoüberwachung auf den Bahnhöfen zu verbessern“. So sollen die Aufnahmen künftig „zeitnah ausgewertet“ werden. Zudem sollen mehr Bundesgrenzschutzbeamte in Zügen und auf Bahnhöfen eingesetzt werden. „Wir brauchen mehr ausgebildete BGS-Beamte und weniger schlecht bezahlte private Sicherheitsdienste“, sagte Stokar. Derzeit sind 3.000 Sicherheitsleute der Bahn und noch einmal 5.700 BGS-Beamte auf Bahnhöfen und Zügen im Einsatz. Der BGS hat seine Überwachungsmaßnahmen nach den Madrider Anschlägen verstärkt.

Innenminister Otto Schily (SPD) sieht bisher keine Veränderung der Sicherheitslage. Es gebe „keine neuen Anforderungen an die deutschen Sicherheitsbehörden“, teilte sein Sprecher mit. „Selbstverständlich sind wir für jede Art von Bedrohungen gerüstet.“ Schilys Ministerium ging davon aus, dass die baskische ETA für den Anschlag vom Donnerstag verantwortlich ist. In diesem Fall hätte Deutschland nichts zu befürchten – Erkenntnisse, dass die ETA ihr Aktionsspektrum auf Deutschland ausweite, gebe es nicht, betonte der Sprecher des Ministeriums.

Sollte jedoch das Terrornetzwerk al-Qaida hinter den Anschlägen stecken, „wäre das eine neue Lage“, gestand auch Schily in der ARD ein. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) fürchtet, dass auch Deutschland wegen der Bundeswehrmission in Afghanistan zum Ziel von Anschlägen werden könnte. „Gerade weil Afghanistan das Kernland der Taliban ist, sind wir im Blickwinkel von Fundamentalisten.“

Einem möglichen Einsatz der Bundeswehr im Inneren, wie ihn die Union zulassen will, erteilte Schily eine klare Absage. Hessen, Sachsen, Bayern und Thüringen schlugen im Bundesrat vor, das Grundgesetz entsprechend zu ändern. SPD und Grüne lehnen dies ab, für die Änderung ist eine Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig.

„Ein Panzer vor dem Reichstag hilft niemandem“, so der SPD-Innenexperte Wiefelspütz. Sicherheitsexperten halten die Diskussion ohnehin für müßig. So ging der Terrorismusforscher Rolf Tophoven davon aus, dass Anschläge auf „weiche Ziele“ wie Züge oder Bahnhöfe ohnehin kaum zu verhindern seien. Die „bittere Wahrheit“: Es könne jeden treffen, wenn er zur falschen Zeit am falschen Ort sei.