„Die Mehrarbeit machen Frauen“

Die Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen trifft Frauen ganz besonders, heißt es bei der Attac-Konferenz „Das Gats und die Frauen“. Unter der Prämisse höherer Wirtschaftlichkeit ändern sich die Arbeitsbedingungen auch in Deutschland

Interview JEANETTE SEIFFERT

taz: Wenn man von Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen und ihren Folgen spricht, denkt man zunächst vor allem an Länder der Dritten Welt. Hier auf dem Kongress berichten aber vor allem deutsche Frauen von ihren Erfahrungen mit Privatisierungen. Wie kommt das?

Gabi Pater: Tatsächlich denken viele, die Privatisierung beträfe bisher vor allem andere Länder. Dass sie beispielsweise im Gesundheitswesen bei uns schon sehr weit fortgeschritten ist und immer mehr zunimmt, wird dagegen kaum wahrgenommen. Daher halte ich es für sehr wichtig, darüber zu sprechen, wie die Situation jetzt schon ist, um zu verhindern, dass diese Entwicklung immer weitergeht.

Wie macht sich die Privatisierung in Ihrem Arbeitsumfeld bemerkbar?

In den Krankenhäusern wird schon seit 15 bis 20 Jahren privatisiert. Angefangen hat man mit den Bereichen Wäscherei, Küche und beim Reinigungspersonal, mittlerweile ist man beim Labor. Immer häufiger werden auch einzelne Abteilungen oder gar ganze Krankenhäuser privatisiert. Krankenschwestern werden dann oft nicht mehr fest angestellt, sondern von Personalvermittlungen für eine bestimmte Zeit ausgeliehen. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Vermietung von Pflegepersonal in der Zukunft immer häufiger vorkommt – mit all den Folgen für die Frauen, die in diesem Bereich arbeiten.

Betrifft Sie diese Entwicklung auch ganz persönlich?

Das kommt jetzt. Unsere Klinik wird in nächster Zeit schließen und an eine private Klinik verkauft werden. Der neue Träger muss das Personal zwar übernehmen. Aber wenn es so läuft wie in anderen Fällen, wird der aus privatwirtschaftlicher Sicht überflüssige Teil des Personals nach einer gewissen Zeit entlassen werden – das trifft Menschen in meinem Alter natürlich zuerst. Die Mehrarbeit müssen dann die machen, die übrig bleiben. Der Arbeitsdruck, der schon jetzt oft kaum zu ertragen ist, wird noch steigen.

Was heißt das für Patienten?

Zeit für die Patienten wird bei dem zunehmenden Stress kaum mehr da sein. Die Kolleginnen werden froh sein, überhaupt noch einen Job zu haben, auch wenn die Bezahlung noch schlechter sein wird: Die privaten Kliniken zahlen meist keinen Tariflohn, oft fallen die Schichtzulagen weg. Unterm Strich kann das bis zu 20 Prozent weniger Lohn bedeuten.

Wieso trifft die Veränderung vor allem die Frauen?

Zum einen arbeiten in diesen schlecht bezahlten Helferinnen-Jobs fast ausschließlich Frauen. Sie sind sie durch ihre familiäre Situation oftmals sehr eingespannt – und sollen nun noch flexibler sein. Zusätzlich gibt es auch indirekte Beeinträchtigungen: Zum Beispiel geht der Trend in Krankenhäusern zur ambulanten Operation. Die Kliniken sparen damit Kosten, aber zu Hause wird mehr Pflege notwendig. Und die bleibt in aller Regel bei den Frauen hängen, die diese Mehrarbeit umsonst machen.