Rot-Grün verschiebt den Atomexport

Dieser Woche sollte eigentlich die Entscheidung über den Verkauf der Plutoniumfabrik Hanau fallen. Doch um einen Koalitionskrach zu vermeiden, spielt die Regierung auf Zeit. Ärzte gegen den Atomkrieg hoffen: „Vorhaben wird totgeprüft“

AUS BERLIN KATRIN EVERS

Die für Mitte März angekündigte Entscheidung zum Export der Siemens-Plutoniumfabrik von Hanau nach China verzögert sich. Auch die für vergangene Woche vorgesehenen Gespräche zwischen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und Experten der Regierungsfraktionen haben nicht stattgefunden.

„Die Ministerien prüfen den Export noch“, sagte gestern Michaele Hustedt , energiepolitische Sprecherin der Grünen zur taz. Denn noch ist nicht absehbar, wann der Außenwirtschaftsrat zu einem Schluss kommt: Er muss beurteilen, ob die von Siemens für 50 Millionen Euro zum Kauf angebotene Nukleartechnik auch militärisch nutzbar wäre und ob die Aussage von China glaubwürdig ist, die Fabrik nur zivil und nicht militärisch zu nutzen.

Für Greenpeace steht außer Zweifel, dass mit der Anlage auch waffenfähiges Plutonium hergestellt werden kann. Ein rechtliches Gutachten im Auftrag der Umweltorganisation kam Ende letzten Jahres bereits zu dem Schluss: Ein Export würde gegen das Außenwirtschaftsgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen. Zunächst einmal wird aber weiterberaten: Am 24. März zwischen Justizministerium und Vertretern der Koalitionsfraktion über „allgemeine juristische Fragen“.

Inzwischen spielt die Regierung offensichtlich auf Zeit – um einen Koalitionskrach zu vermeiden. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte China Ende 2003 den Export der Fabrik zugesagt. Der grüne Koalitionspartner will dem aber nicht zustimmen: Man könne nicht in Deutschland aus der Atomkraft aussteigen und gleichzeitig deren Nutzung in anderen Ländern unterstützen.

Die Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW) hegen die Hoffnung, dass das Vorhaben nun totgeprüft wird. Die internationale Organisation ruft seit knapp zwei Wochen Kritiker des Exports dazu auf, Hanau selber zu kaufen. Dazu sammelt IPPNW verbindliche Verpflichtungen, eine bestimmte Summe Geld zu zahlen, wenn so die nötigen 50 Millionen Euro zusammenkommen.

Immerhin gut 4.300 Beteiligungen und Verpflichtungen für eine knappe halbe Million Euro (486.871,29 Euro) sind bei IPPNW bislang eingegangen. Unter den Geldgebern sind Politiker der Grünen, wie Winfried Nachtwei und Christian Ströbele, aber auch Abgeordnete der SPD, wie Hermann Scheer, Andrea Nahles und die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD Angelika Schwall-Düren.

Neben der Möglichkeit, die Prüfungen auf unabsehbare Zeit auszudehnen, bleibt Schröder noch eine: Er könnte das Münchener Unternehmen drängen, die Voranfrage zurückzunehmen. Siemens hat in einem Brief an Greenpeace bereits signalisiert, eine politische Entscheidung akzeptieren zu wollen. Womöglich spekuliert der Konzern, dass nach einem Regierungswechsel in Berlin dem Export nicht mehr viel im Wege steht. Die nie in Betrieb gegangene Fabrik steht zumindest seit über einem Jahrzehnt in 20 Seecontainer verpackt in Hanau bereit.