Union will Arbeitsrecht verschärfen

CDU und CSU planen Einschnitte beim Arbeits- und Tarifrecht: Kündigungsschutz soll es erst nach vier Jahren geben, für Arbeitslose über 50 überhaupt nicht mehr. Unternehmen sollen Mitarbeiter zu unbezahlter Mehrarbeit zwingen können

AUS BERLIN ANDREAS SPANNBAUER

Die Spitzen der Unionsparteien planen eine drastische Verschärfung des Tarif- und Arbeitsrechts, die auch innerhalb der CDU auf erheblichen Widerstand trifft. Ein Entwurf, der gestern bei der gemeinsamen Sitzung der Präsidien von CDU und CSU in Berlin diskutiert wurde, sieht unter anderem vor, den Kündigungsschutz bei Neueinstellungen für 4 Jahre komplett zu streichen. Arbeitslose, die über 50 Jahre alt sind, sollen überhaupt nicht mehr in den Genuss des Kündigungsschutzes kommen, wenn sie wieder eingestellt werden.

Unternehmen sollen darüber hinaus Langzeitarbeitslose im ersten Beschäftigungsjahr unter Tarif bezahlen dürfen. Teilzeitarbeit soll künftig nur noch beanspruchen können, wer Kinder erzieht oder pflegebedürftige Angehörige betreut. Arbeitgeber sollen das Recht erhalten, ihre Beschäftigten zu unbezahlter Mehrarbeit zu zwingen, falls dadurch Arbeitsplätze gesichert werden können.

Die Allgemeinverbindlichkeit von Flächentarifverträgen soll abgeschafft werden. Auch die Änderungen im Betriebsverfassungsgesetz, die die Bundesregierung zu Gunsten der Arbeitnehmer vorgenommen hat, sollen rückgängig gemacht werden. Das Arbeitsstättenrecht für Kleinbetriebe soll vollständig aufgehoben werden, die Ladenschlusszeiten von Montag bis Samstag sollen keiner Regelung mehr unterworfen sein.

Mehrere CDU-Politiker übten unmittelbar vor Beginn der Sitzung der Präsidien in Berlin scharfe Kritik an den Vorschlägen. Nach den Worten des stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Christoph Böhr schießt der entspreche Entwurf „weit über das Ziel hinaus“. Böhr sagte, zu einer solchen Reform gehöre nicht die Abschaffung des Kündigungsschutzes für Neueinstellungen von Arbeitslosen, die 50 Jahre und älter sind. Dies würde ältere Arbeitnehmer „verleiten, sich gar nicht erst um eine Neueinstellung zu bemühen“.

Der Vorsitzende der CDU-Arbeitnehmerausschüsse, Hermann-Josef Arentz, bezeichnete den Vorstoß als einen „Generalangriff auf die Arbeitnehmerrechte“. Arentz sagte, die Umsetzung des Papiers würde nicht zu mehr Beschäftigung führen, sondern „zu einem Dauerkonflikt“ zwischen den Tarifparteien. „So kriegt man keinen Aufschwung hin, sondern führt das Land nur noch tiefer in die Krise.“ Dem ZDF sagte Arentz: „Lohnfestsetzung nach Gutsherrenart lehnen wir ab.“

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ludwig Stiegler nannte die Vorschläge einen Angriff auf die Grundfesten der Arbeitnehmerrechte. Die Union wolle „eine brutale, kalte Marktgesellschaft“. IG-Metall-Chef Jürgen Peters sprach von einem Amoklauf auf Arbeitnehmerrechte und die soziale Demokratie in Deutschland. Mit der CDU/CSU gehe es für Arbeitnehmer zurück ins 19. Jahrhundert. Nach Ansicht der Ver.di-Vizechefin Margret Mönig-Raane führen die Vorschläge in die Verarmung und zu einem kälteren Klima in der Gesellschaft. Die Wähler sollten sich die Pläne genau anschauen, damit sie merken, was bei einer CDU/CSU-Regierung auf sie zukäme.

Auf Ablehnung stieß auch das gemeinsame Steuerreformkonzept von CDU und CSU, das die Präsidien am Abend verabschieden wollten. SPD und Grüne lehnten die Pläne als unfinanzierbar ab, so dass sie in dieser Legislaturperiode keine Chance mehr auf Verwirklichung haben. CDU und CSU hatten sich nach monatelangem Streit auf eine Steuerreform in zwei Stufen geeinigt. Vorerst solle nach dem Willen der CSU am linear-progressiven Tarif mit einem Korridor zwischen 12 bis 36 Prozent festgehalten werden. Damit soll eine Entlastung der Steuerzahler um rund 10 Milliarden Euro erreicht werden. Erst dann würde der von der CDU favorisierte Stufentarif eingeführt. Bei der Abschaffung der Steuerfreiheit von Sonn-, Nacht- und Feiertagszuschlägen ist eine Übergangsfrist geplant. Nach den Worten des designierten SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering gehen die Pläne einseitig zu Lasten von Kleinverdienern. „Busfahrer und Krankenschwestern sollen durch Streichung der Steuerfreiheit für Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge die Entlastung der Spitzenverdiener bezahlen“, sagte Müntefering.

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