Frauen sollen Kinder hüten

Schlechte Zeiten auf dem Arbeitsmarkt sind schlechte Zeiten für die Gleichberechtigung im Job: Arbeitslose Frauen werden wieder in Billig-Jobs und die traditionelle Mütterrolle gedrängt

VON ANNIKA JOERES

Arbeitslose Frauen in Nordrhein-Westfalen sollen wieder die Rolle ihrer Mütter übernehmen: Städte wie zum Beispiel Rheine oder Mönchengladbach bilden die Jobsuchenden zu Tagesmüttern fort. Anschließend betreuen sie neben ihren eigenen auch Kinder von anderen Eltern. „Das ist ein beispielhafter Weg“, sagt Mönchengladbachs Sozialdezernent Michael Schmitz. Den meist alleinerziehenden Müttern sei so eine Zukunftsperspektive eröffnet worden. Gleichzeitig helfe es, den „dringenden Bedarf an Tagesmüttern zu decken.“

Tagesmutter ist ein nicht-versicherungspflichtiger 380-Euro-Job. Er passt in den nordrhein-westfälischen Arbeitsmarkt für Frauen: Über 84 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten sind weiblich. „Frauen sind deswegen nur geringfügig beschäftigt, weil sie ihre Kinder nicht unterbringen“, sagt Friederike Lisken von der Arbeitsagentur NRW. Deshalb begrüßt sie die Qualifizierung von Jobsuchenden zu Tagesmüttern, auch wenn „natürlich der Staat für die Kinderbetreuung sorgen sollte.“ Bisher bleibe diese Aufgabe privat und an den Frauen hängen. Immerhin beendeten die Frauen ihre Arbeitslosigkeit. „Sie können sich ihre Arbeit halt nicht aussuchen.“

Auch das nordrhein-westfälische Frauenministerium sieht im Tagesmütterprojekt keine negative Entwicklung. „Wir finden es grundsätzlich gut, wenn Frauen qualifiziert werden,“ sagt Sprecherin Judith Holzmann-Schicke. Die Dienstleistung „Kinderbetreuung“ sei stark nachgefragt und die Fortbildungsmaßnahme deswegen nur logisch. So könnten ja auch andere Frauen wieder in den Beruf.

Ulrike Oestreich, Gleichstellungsbeauftragte von ver.di NRW, sieht in dem Tagesmütterprojekt einen frauenpolitischen Rückschritt. „Frauen sollen vom regulären Arbeitsmarkt wieder in ihre klassische Mutterrolle gedrängt werden,“ sagt Oestreich. Die nordrhein-westfälischen Arbeitsagenturen würden sie vor allem in Billig-Jobs vermitteln: Frauen arbeiten als Servicekräfte in Cafés und Restaurants oder als Packerin und Kassiererin im Handel. „Sie bleiben von Ehemann und Staat abhängig.“ Oestreich fordert, endlich ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft zu erlassen. Auch in der Wirtschaft seien qualifizierte Frauen unerwünscht: „Ingenieurinnen mit Einser-Abschluss bekommen auf ihre Bewerbungen keine Antwort, Ingenieure mit durchschnittlichem Erfolg werden eingeladen.“