Die Gutgelaunte: Gisela Röttger-Husemann

Die Polizeipräsidentin sucht die Nähe ihrer Mülheimer – mit Auswirkung auf die Kriminalstatistik. Die einzige Frau im Jurastudium zu sein, fand sie todschick und ihren Weg in die Verwaltung chancenreicher als den in die Wirtschaft

Frauen in der grünen Uniform sind noch nicht lange Normalität: Noch in den siebziger Jahren gab es keine einzige weibliche Schutzpolizistin – dass sie auf Streife fahren und Verbrecher jagen können, wird Frauen erst seit 1982 zugetraut. Ihr Anteil bei den Neueinstellungen beträgt heute in Nordrhein-Westfalen über 40 Prozent, doch bei den Aufnahmetests für das Sondereinsatzkommando (SEK) hat nach Angaben des Innenministeriums „noch keine Bewerberin die notwendigerweise hohen Anforderungen an die körperliche Leistungsfähigkeit“ erfüllt. Zumindest die Spitzen der Behörden werden langsam weiblicher: Fünf Frauen leiten je eines der insgesamt zwanzig Polizeipräsidien in NRW.

Die Dienstälteste arbeitet in Mülheim: In zwei Jahren geht Gisela Röttger-Husemann in Rente, dann hat die parteilose Juristin die Mülheimer Polizei dreizehn Jahre lang geleitet. Die Mülheimer kennen die 62-jährige nicht nur als oberste Polizistin: Schirmfrau für den Verein „Wir für die Mülheimer Kinder“, im Beirat des Sozialsponsoring-Vereins, engagiert für das Frauenhaus. „Wir schmücken uns gerne mit Ihnen“, hat sie schon oft gehört und sich nicht daran gestört, denn „die Leute hören einem mehr zu, wenn man einen Titel hat“.

Bei den Wohltätigkeitsveranstaltungen oder Parteiempfängen will Gisela Röttger-Husemann Kontakte knüpfen: „Am Anfang bin ich wirklich auf alle Veranstaltungen gegangen, um die Stadt kennen zu lernen.“ Diese Strategie hat sie auf ihre Behörde übertragen, die Ordnungshüter suchen das Gespräch. Die Bemühungen um Bürgernähe scheinen Auswirkungen auf die Kriminalstatistik zu haben: Im landesweiten Vergleich geschehen in der Stadt mit der höchsten Millionärsdichte im Ruhrgebiet weniger Verbrechen, es werden mehr Delikte aufgeklärt.

„Bring die Chefin zum Lachen, dann klappt das schon“, das wird Bewerbern im Mülheimer Polizeipräsidium ernsthaft geraten. Für Röttger-Husemann ein Kompliment: „Ich wollte nie irgendwo mit dem Ellenbogen durch. Die Leute sollen sich Wohl fühlen“. Wo andere Polizeipräsidenten selbst bei erfreulichen Terminen distanziert und humorlos auf die Presse treffen, da lacht sie mit Journalisten und Fotografen.

1945 flüchtete ihre Familie aus Breslau, der Vater galt den Briten als unverdächtig und wurde in den Landesdienst eingestellt, die Familie zog nach Düsseldorf. Dem Studium in Münster und Frankfurt am Main folgten Praktika und Referendariat in Berlin, Tel Aviv und Paris. „Im Jurastudium war ich weit und breit die einzige Frau. Das fand ich todschick.“ Gern hätte sie so weiter gelebt, beneidet noch immer ihren jüngeren Bruder, der die ganze Welt bereist habe. Doch ihr Mann, ein Anwalt, „ist so bodenständig, der wird am Schreibtisch umfallen“. Also arbeitete sich Röttger-Husemann 23 Jahre lang durch verschiedenen Bereiche der Bezirksregierung. 1993 wurde sie von deren Polizeiverwaltung an die Spitze der Mülheimer Polizeibehörde versetzt – der klassische Lebenslauf einer Polizeipräsidentin. Die Verwaltung sei ideal gewesen, um Tochter und Beruf zu vereinbaren: „In der Wirtschaft hätte ich diesen Erfolg nicht gehabt“. NADIA LEIHS