Abzocke mit 01 90-Nummern gestoppt

Internetsurfer müssen nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs nicht für die Kosten aufkommen, die durch heimliche Installation eines „Dialers“ auf ihrem Computer entstanden sind. Gebühren müssen Telefonnetzbetreiber zahlen

BERLIN taz ■ Wer ohne es zu wissen über eine 01 90- oder 09 00-Nummer im Internet surft, muss die Telefonrechnung nicht bezahlen. Der Bundesgerichtshof entschied in einem gestern veröffentlichten Urteil, dass der Anschlussinhaber für Verbindungen eines heimlich installierten Wählprogramms, eines so genannten 01 90-Dialers, nicht verantwortlich ist. Der Stadtnetzbetreiber Berlikomm verlor damit auch in der letzten Instanz den Prozess um fast 9.000 Euro, die durch die Nutzung eines angeblichen Programms zur Beschleunigung der Datenübertragung angefallen waren.

Das Berliner Kammergericht hatte Ende Januar letzten Jahres die Klage des Telefonanbieters weitgehend abgewiesen. Der Sohn der Beklagten hatte auf seinem Computer eine „Gratis-Zugangssoftware“ installiert. Doch statt wie versprochen die Internet-Verbindung zu beschleunigen, trug das Programm eine teure 01 90-Nummer als Standardverbindung für Windows ein. Auch nach dem Löschen des Programms blieb dieser Eintrag unverändert. Weil die Berlikomm einen erheblichen Anteil der 01 90-Gebühren selbst behielt und ein wirtschaftliches Interesse am Zustandekommen der Verbindungen habe, machte das Kammergericht die Telefonfirma für diese Betrügerei verantwortlich. Dieser Ansicht schlossen sich die höchsten Zivilrichter jetzt an. Die Anschlussinhaberin und ihr Sohn hätten auch nicht gegen Sorgfaltspflichten verstoßen. Sie seien nicht zu Schutzmaßnahmen gegen Dialer verpflichtet gewesen.

Der massive Betrug mit Dialern, die entweder die Sorglosigkeit der Computernutzer oder die Sicherheitslücken des weit verbreiteten WWW-Browsers Internet Explorer nutzen, erfährt mit diesem Gerichtsurteil einen schweren Rückschlag. Im Sommer 2002 hatte die Bundesregierung ein auf Druck des Wirtschaftsministeriums stark verwässertes erstes Gesetz gegen den Missbrauch der so genannten Mehrwertdienste beschlossen.

Weil dies kaum einen Effekt hatte, schob sie im Sommer letzten Jahres ein weiteres Paragrafenpaket nach. Seither sind Dialer verboten, die ohne Zustimmung des Computernutzers Verbindungen aufbauen, müssen die Programme registriert werden und dürfen nur noch die Vorwahl 09 00-9 nutzen.

Dennoch berichteten Verbraucherschützer, dass Telefonfirmen weiterhin illegal Dialer-Kosten abrechnen. Beliebt seien nicht registrierte 09 00-9-Dialer, die keine Bestätigung für die Einwahl verlangen, berichtet Carola Elbrecht vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. (Az.: III ZR 96/03)

MATTHIAS SPITTMANN