Freistaat in Gefahr

Dänische Polizei will im Kopenhagener Stadtteil „Christiania“ massiv durchgreifen. Vor allem soll der Cannabis-Handel unterbunden werden

KOPENHAGEN taz ■ Die Regierung in Kopenhagen meint es offensichtlich ernst mit ihren Ankündigungen, dem „Freistaat Christiania“ das Lebenslicht auszublasen. „Der jetzige Zustand ist unhaltbar. Christiania soll zu einem normalen Stadtteil Kopenhagens werden.“ Das erklärte in dieser Woche Verteidigungsminister Svend Aage Jensby – das dänische Militär ist Eigentümerin des seit 1971 „besetzten“ Kasernengeländes. Die „Normalisierung“ soll nach Aussagen von Justizministerin Lene Espersen bedeuten, dass die Einhaltung der dänischen Gesetzgebung in Christiania polizeilich durchgesetzt werde. Erste Folge: Viele der knapp 900 ChristianiterInnen wären gezwungen, ihre Bleibe zu räumen. Die 325 Häuser entsprechen nur zu einem geringen Teil den Bauvorschriften, und fast alle Neubauten sind ohne Genehmigung errichtet.

Christiania hat in den 32 Jahren seines Bestehens viele Konflikte erlebt. Razzien, Drogenhandel, politische und juristische Kämpfe gegen seine Existenz. Zwar gibt es einen Pachtvertrag, doch den kann Kopenhagen kündigen, wenn Christiania nicht in seinen Grenzen für Ordnung sorgt.

Das hat sich in Bezug auf den Haschhandel als unmöglich erwiesen. Er geht in der „Pusherstreet“ offen vor sich und befindet sich zum großen Teil in der Hand einer Drogenmafia, die mit Christiania nicht viel zu tun hat. Zwar hat die Polizei in letzter Zeit auch ihre Razzien in der „Pusherstreet“ intensiviert, doch hat dies den Cannabis-Handel kaum beeinflussen können.

30 bis 40 Millionen Euro werden nach Schätzungen der Polizei hier jährlich mit Pollenmarokkaner und Afghane umgesetzt. „In wenigen Tagen“ werde massiv gegen diesen Handel vorgegangen, kündigte Justizministerin Espersen an. Während einige Händler für diesen Fall mit „bürgerkriegsähnlichen“ Zuständen drohen, beteuern andere, keinen Widerstand leisten zu wollen. Der Haschhandel werde in eine andere Gegend Kopenhagens verlegt.

Eine Durchsetzung des Verbots, mit Cannabis zu handeln, als erster Schritt, der Abriss ungesetzlich errichteter Gebäude ein zweiter? Villy Sövndal von der Sozialistischen Volkspartei warnt vor „unnötiger Konfrontation“.

Dennoch kündigt Justizministerin Espersen an, die Polizei werde in massiven Einsätzen dort alles „auf den Kopf stellen“. Und Verteidigungsminister Jensby prophezeit, dass „schon in absehbarer Zeit“ die Verhältnisse in Christiania „normalisiert“ sein werden. REINHARD WOLFF