Auf Wahlurlaub in Athen

Stimmabgabe in der alten Heimat: Warum jeder Zehnte griechischer Herkunft in Nordrhein-Westfalen nicht zur Wahl geht, sondern fliegt

„Mein Herz hängt noch an Griechenland. Ich helfe mit, Griechenland von hier aus zu verbessern.“

AUS DÜSSELDORF von Miltiadis Oulios

Wenn am Sonntag in Griechenland ein neues Parlament gewählt wird, reden auch griechische Einwanderer aus Deutschland ein Wörtchen mit. Jeder Zehnte der 112.000 Griechen in Nordrhein-Westfalen bestieg deshalb in den vergangenen Tagen ein Flugzeug nach Griechenland. Die Stimmabgabe in der alten Heimat ist eine Tradition – auch nach 40 Jahren Migration.

Die beiden großen griechischen Parteien lassen sich das Einiges kosten. „Sie buchen Charterflüge, mit denen griechische Wähler auch in kleinere Städte wie Kavala geflogen werden. Der Flug kostet 80 Euro. Der Rest wird subventioniert.

In der Nähe des Düsseldorfer Hauptbahnhofs liegt das Büro der konservativen Opposition Nea Dimokratia. Über deren Ortsvereine werden tausende Tickets vermittelt. Auch die 23-jährige Kosmetikerin Maria Sonikidou hat sich eins besorgt. „Ein wenig ist das ein Widerspruch“, gesteht sie. „Aber auf der anderen Seite sehe ich griechische Politik über das Satelliten-Fernsehen. Von Freunden in Griechenland bekommen ich mit, womit sie zufrieden sind und womit nicht.“

Die junge Frau ist zwar in Düsseldorf geboren, aus privaten Gründen möchte sie aber bald nach Griechenland ziehen. Aus der älteren Generation wollen ohnehin viele ihr Rentnerleben in Griechenland verbringen. Und die, die vorhaben, für immer dort zu leben, fahren auch zur Wahl nach Hellas. Dabei interessiert die griechischen Wähler aus Deutschland vor allem das Gesundheitssystem. Aus der Bundesrepublik sind sie eine bessere Versorgung gewöhnt. „Die staatlichen Kliniken sollen genauso gut werden wie die privaten“, betont Maria Sonikidou, „die Partei, die sich glaubwürdig dafür einsetzt, bekommt meine Stimme.“

Eine Straße weiter sitzt Kostas Papadimitriou im Büro des Pasok-Ortsvereins. An der Türklingel hängt ein Aufkleber mit einer grünen Sonne. Das Symbol der regierenden Sozialisten in Griechenland. Der 30-jährige Pädagoge besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft. Er engagiert sich als deutscher und als griechischer Bürger: „Ich habe mich auch anders politisch betätigt, bei den Jusos in der Hochschule. Trotzdem hängt mein Herz noch an Griechenland, und deswegen helfe ich hier in Deutschland mit, Griechenland von hier aus zu verbessern.“ Das fänden auch die Verwandten in dem Dorf seiner Eltern gut.

Kostas Papadimitriou ist deutscher Bürger. Doch die meisten, die zu ihm ins Pasok-Büro kommen, haben keinen deutschen Pass. „Die Einwanderer wurden nie richtig in das deutsche politische System integriert, es sei denn, sie haben sich selber dafür aktiv eingesetzt“, sagt er. „Deswegen identifizieren sich die meisten politisch immer noch eher mit dem Herkunftsland.“

„Ich fahre nicht nach Griechenland, weil ich das nicht einsehe, dort zu wählen, denn ich lebe ja schließlich in Deutschland“, sagt hingegen Dimi Kotsomitopoulos. Der 28-Jährige lebt in seiner Geburtsstadt Düsseldorf und singt in einer Rockband. Die Wahlen in Griechenland sind ihm ziemlich schnuppe. Als Kind trug ihn sein Vater auf den Schultern, wenn er in den Siebziger Jahren unter dem Banner der griechischen Sozialisten Pasok demonstrierte. Dimi schaut auf ein altes Foto und lächelt. „Ich will die Politik in diesem Land mitgestalten, die griechischen Politiker tun ja nichts für mich.“