Kandidat Wolfgang Schäuble ausgebremst

Unionschefs Merkel und Stoiber setzen auf neuen Kompromisskandidaten mit FDP. Auch FDP-Favorit Gerhardt passé

BERLIN taz ■ In der chaotischsten Bundespräsidenten-Suche aller Zeiten hat jetzt das Stadium der Kandidaten-Opferung begonnen. Das Schlüsselwort des gestrigen Tages lautete dabei „bedauerlicherweise“. Mit dieser Vokabel verabschiedeten sich gestern CSU-Chef Edmund Stoiber und die CDU-Vorsitzende Angela Merkel vom bisherigen Favoriten Wolfgang Schäuble (CDU). „Bedauerlicherweise“ sei er gegen den Widerstand der FDP nicht durchzusetzen gewesen, sagten die Unionsvorsitzenden nahezu wortgleich auf getrennten Presseterminen. Zuvor hatten sie sich zweimal mit FDP-Chef Guido Westerwelle getroffen.

Im Gegenzug hat die Führung der Liberalen offenbar ihren Favoriten, den Fraktionsvorsitzenden im Bundestag Wolfgang Gerhardt, abgeschrieben. „Kein Schäuble, kein Gerhardt, das ist doch ziemlich klar“, meinte ein FDP-Insider gestern. Damit ging das zunehmend blamable Kandidatenrätseln des bürgerlichen Lagers bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe in die nächste Runde. Nachdem sich das Trio Merkel, Stoiber, Westerwelle monatelang darauf versteift hatte, den nächsten Staatschef unter sich auszukungeln, wandten sich alle drei gestern plötzlich an ihre Parteigremien. Die Präsidien von FDP und CDU wurden für Mittwochabend nach Berlin einberufen, Stoiber verließ die Stadt wieder, um in München die Sitzung des CSU-Präsidiums zu leiten. Einig waren sich die drei Vorsitzenden nur darin, weiterhin einen gemeinsamen Bewerber präsentieren zu wollen.

Absurderweise sind dabei weiterhin fast alle bisher genannten Kandidaten im Rennen. Als Favoriten zweiter Klasse werden derzeit die CDU-Mitglieder Annette Schavan und Horst Köhler genannt. Die 48-jährige baden-württembergische Kultusministerin wäre die erste Frau in Bellevue und die jüngste aller Amtsinhaber. PATRIK SCHWARZ

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