Friedensgespräche ausgesetzt

In den Philippinen sagt die Regierung Gespräche mit muslimischer Guerilla ab

BERLIN taz ■ Die philippinische Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo hat gestern wegen eines Guerillaangriffs Friedensgespräche mit der größten Rebellenorganisation des Landes absagen lassen. Die Sondierungsgespräche mit der „Moro Islamischen Befreiungsfront“ (Milf) sollten ab Freitag in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur stattfinden. Zwischen Regierung und Milf herrscht offiziell seit 1997 ein Waffenstillstand. Der ist allerdings sehr brüchig, weshalb er im August 2001 erneuert wurde.

Doch Friedensverhandlungen haben seitdem noch nicht begonnen, vielmehr gab es bisher nur vereinzelte ergebnislose Sondierungsgespräche. Die jetzt abgesagten Gespräche sollten die zweiten Vorgespräche in diesem Jahr sein. Die 12.500 Guerilleros zählende Milf kämpft seit 1978 für einen islamischen Staat im Süden des überwiegend christlichen Landes.

Arroyo begründete die Gesprächsabsage mit dem Angriff von 200 Milf-Kämpfern auf die Stadt Siocon in der Provinz Zamboanga del Norte auf der Insel Mindanao. Die Rebellen hatten die Stadt am Sonntag eingenommen, bevor sie vom Militär zurückerobert wurde. Insgesamt starben nach Regierungsangaben 34 Personen, darunter viele Zivilisten. Auf ihrem Rückzug hätten die Guerilleros 30 Geiseln genommen, die aber inzwischen wieder frei seien. „Wir werden eine umfassende legale Offensive gegen die Führer der MILF starten, während wir Strafaktionen gegen die direkten Täter terroristischer Handlungen durchführen“, kündigte Arroyo an. Sie ließ eine Belohnung von jeweils umgerechnet 85.000 Euro für die Ergreifung von fünf Milf-Führern aussetzen.

Der Angriff vom Sonntag ist der zweite der Milf innerhalb weniger Tage. Zuvor hatten Milf-Truppen die Stadt Maigo in Lanao del Norte angegriffen. Dabei starben rund 20 Personen. Der Regierungsberater Eduardo Ermita vermutet, die Rebellen wollten ihre Muskeln zeigen und ihre Verhandlungsposition stärken. Rebellensprecher Eid Kabalu dagegen nannte den Angriff auf Siocon eine „Fortsetzung defensiver Maßnahmen angesichts der anhaltenden Offensive des Militärs“. Angriffsziel sei ein Militärposten gewesen, doch die Kämpfe hätten sich ausgeweitet. Im Februar hatte das Militär in einer Großoffensive ein wichtiges Lager der Milf erobert und nach eigenen Angaben rund 200 Rebellen getötet. Damals wurde argumentiert, die Rebellen hätten Kriminelle beherbergt.

Die Milf hatte sich 1978 von der „Moro Nationalen Befreiungsfront“ (MNLF) abgespalten, die zuvor für ein Autonomieversprechen mit der Regierung Frieden geschlossen hatte. Auch jetzt ist die Regierung nur zu einer begrenzten Autonomie bereit. Bei einigen Rebellen hat sich inzwischen der bewaffnete Kampf verselbstständigt. Die Milf kontrolliert nicht alle ihre Kämpfer, vielmehr sind einige in kriminelle oder terroristische Milieus abgerutscht. SVEN HANSEN