was die leute so alles von einem wollen von FANNY MÜLLER
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Ich gehe um 17 Uhr ins Kino, weil da meist nicht so viele Leute sind, aber das Kino war voll und neben mir sitzt ein Mann, der anfängt, meinen Oberschenkel zu stupsen. „Das ist einfach nicht wahr!“, sage ich mir, weil mir so was noch nicht mal passiert ist, als ich jung war. Aber dann stand ich doch auf und sagte dem Kinofritzen Bescheid. Die Nichten fielen vor Lachen vom Sofa und meinten, ich sei wohl wieder aufreizend angezogen gewesen.

Am Abend des 27. Februar ruft Schill bei mir an. Ja, der Schill. Er informiert mich, dass er Innensenator gewesen sei, woran ich mich noch erinnern konnte. Ich dürfe jetzt nachts wieder auf die Straße gehen. Unerhört! Bei der Kälte! Was will ich denn auf der Straße, wo man ja nicht mal mehr ins Kino gehen kann! Normal liege ich nämlich nachts im Bett und lese Sachen, von denen der noch nie was gehört hat: „Nichts gibt einem so sehr das Gefühl der Unendlichkeit als wie die Dummheit“, Horváth. Und 45.000 weniger Verbrechen oder was hat es während seiner Amtszeit gegeben, aber alles wird totgeschwiegen! Von den Medien! Und seine Wahlplakate werden von den Roten einfach kaputtgemacht! Oder von den Kommunisten, das hab ich nicht so genau verstanden. Leider hatte ich ja schon gewählt, na ja, Sonntag musste ich nicht mehr hingehen und konnte dann leider, leider auch nicht Liste 10, oder was er da gesagt hat, wählen. Er machte dann Schluss, weil er noch viele Hamburger und Hamburgerinnen anrufen musste.

Nachmittags hatte er schon bei Torsten angerufen, der „Moin, hier ist Ronald Schill“ hörte und gleich mit „Halt’s Maul, Wichser!“ konterte und den Hörer aufknallte. Er hatte nicht gemerkt, dass es ein Tonband war. Am Sonnabendmorgen rief er dann bei Andrea an, die ich vorgewarnt hatte, und die fast ihr Frühstück verschluckte. Der muss einfach jeden angerufen haben. Kommentare der Nichten: „Nimm doch mal ein gutes Buch zur Hand und belästige nicht andauernd Politiker am Telefon!“

Die evangelische Zeitschrift Chrismon fragte bei mir an, ob ich ein Statement zur Bundespräsidentenwahl abgeben wolle, sie stellten eine Menge Fragen, unter anderem: „… und sollte dieses Amt einmal einer Frau anvertraut werden?“ Ich antwortete: „Ist mir völlig wurscht, ob der nächste Bundespräsident ein Mann, eine Frau, schwul oder ein Neger ist …“ Dann die Antwort von Chrismon: „… dass es Sie in dieser Fassung diskreditieren wird. Vielleicht überlesen Sie noch einmal Ihren Text … Wir verfahren in der Regel so, dass wir die Personen, die uns Statements geben, schützen. Daher werden wir um Ihretwillen das Statement in dieser Fassung nicht drucken“. Ich weiß es ja auch nicht, aber um meine Diskreditierung kümmere ich mich schon von ganz alleine.

Torsten schrieb mir dazu: „… außerdem solltest Du vorsichtig mit der Tatsache umgehen, dass Christen Dich schützen wollen. Das war in den letzten 2000 Jahren keine Überlebensgarantie. Wie las ich unlängst noch: Gott ist ganz in Ordnung, nur sein Bodenpersonal ist Scheiße. Amen.“ Dem wäre nichts hinzuzufügen, außer der Mail von Herrn F. aus K.: „Ich fänd es irgendwo schon wichtig, dass es mal ’ne Frau wär. Und dann ein Hund.“ Oder ein ehemaliger Innensenator.