Alles Werder – oder was?

Bremen gewinnt auch gegen Dortmund mit 2:0. Trainer Schaaf übt sich danach zwar lächelnd in Wellenbewegungen, von einem Zweikampf mit den Bayern will er aber unvermindert nichts wissen

AUS BREMEN MARKUS JOX

Zur Zeit ist ganz Bremen ein bisschen Werder: Die Mannschaft führt souverän die Fußball-Bundesliga an, das Weserstadion ist mit 43.000 Zuschauern ausverkauft, die Magen- und Darmverstimmungen einzelner Spieler werden akribisch protokolliert, und selbst Edelfedern süddeutscher Zeitungen dichten Oden auf den Verein, der so bieder daherkommt – und doch so erfolgreich ist. Wenn das zum Spitzenspiel hochgejazzte Duell Werder Bremen gegen Borussia Dortmund bei dieser enormen Erwartungshaltung auch Mitte der ersten Halbzeit noch 0:0 steht und die Anzeigetafel im Weserstadion bereits aufgeregt vermeldet, dass Bayern München mit 1:0 in Führung gegangen ist, dann, so mutmaßte Gästetrainer Matthias Sammer nach der Partie, hätte er noch vor einem Jahr erwartet, dass Werder beginne, sehr nervös zu werden. „Damals hätten wir sicher irgendwann den entscheidenden Konter fahren können“, schwelgte Sammer in Erinnerungen. „Aber diesmal hamse die Ruhe bewahrt.“ Die Bremer blieben konzentriert und – cool. Und fuhren verdientermaßen drei Punkte ein.

„Herzlichen Glückwunsch“, flötete Sammer mithin nach der 0:2-Niederlage seiner Borussia, als hätte er gerade kiloweise Kreide vertilgt: „Der Sieg der Bremer geht in Ordnung.“ Sein Team habe es nicht geschafft, „das Spiel in den Sechzehner rein“ gefährlich zu gestalten, habe die Bälle zu leicht verloren, und überhaupt: Man habe ja „vermutlich gegen den nächsten deutschen Meister gespielt“. Doch so freundlich Sammer die Partie ex post analysierte, so rumpelstilzchenhaft war der Rotschopf vor allem während der ersten Halbzeit in seiner „Coaching-Zone“ herumgeturnt. Der Trainer und seine Mannschaft schenkten sich in puncto Aggressivität wenig: Viele kleine, versteckte Fouls gingen auf das Konto des BVB, und vor allem Nationalspieler Kehl stellte einmal mehr seine stupende stupide Aggressivität unter Beweis – mit fiesen Fouls und melodramatischer Schwalbe im Werder-Strafraum.

Das verbissene, von permanenten Schiedsrichter-Pfiffen zerhackstückte Spitzenspiel wurde konsequenterweise auch durch einen Freistoß entschieden. Ausgerechnet Werders französischer Abwehrhüne Valerien Ismaël, der beim Hinspiel in Dortmund eine der wenigen Werder-Niederlagen durch ein bizarres Kopfball-Eigentor besiegelt hatte, war es, der dem Spiel in Minute 57 die entscheidende Wendung gab: Er knallte den Ball aus beinahe Roberto-Carlos-verdächtiger Distanz auf den Schädel seines Landsmanns Guy Demel, von wo aus er im wunderhübschen Bogen ins Dortmunder Tor flog. Der unnachahmliche Ailton – meistens indisponiert, aber im entscheidenden Moment verlässlich zur Stelle – machte das Bremer Glück mit seinem 20. Saisontreffer kurz vor Schluss komplett.

Dabei hatten die Werder-Fans nach der Pause erst einmal kollektiv den Atem angehalten: Im Bremer Tor nämlich stand unvermittelt und erstmals in der laufenden Saison der Schlussmann Pascal Borel – Stammtorhüter Andreas Reinke konnte wegen eines „stechenden Schmerz im verlängerten Rücken“ nicht mehr weiterspielen. Doch Borel, an der Weser als notorischer „Unsicherheitsfaktor“ abgestempelt, hatte nichts zu tun, die bärenstarke Vierer-Abwehrkette um Krstajic und Ismaël sorgte dafür, dass Dortmund zu keiner wirklichen Torchance kam.

Allerdings hatte Dortmund auch Pech: Mittelfeld-Regisseur Tomas Rosicky flog in der 81. Minute derart unglücklich und im hohen Bogen über Werders Abwehrbollwerk Krstajic, dass er sich beim Aufprall auf dem Rasen den linken Unterarm brach. Da Sammer schon dreimal ausgewechselt hatte, musste der BVB die Partie mit zehn Mann zu Ende spielen. „Der hat den Arm kaputt“, so das gruselige Trainer-Bulletin zum Zustand des Tschechen: „Da ist nicht mehr alles an der Stelle, wo es sein soll.“

In Bremen dagegen, wo man für die kommende Woche fest mit der Verpflichtung von Miroslav Klose als Ailton-Nachfolger rechnet, bricht derzeit ein regelrechter Schaaf-Kult aus. „Wir woll’n den Trainer seh’n“, schrie die Ostkurve so lange, bis sich der blonde Mann im grauen Kapuzenpulli erbarmte und vor den Fans milde lächelnd La-Ola-Bewegungen vorführte. Als ihn allerdings Reporter fragten, ob seine „Maxime“ jetzt der „Zweikampf Werder gegen Bayern“ sei, erstarb Schaafs Lächeln: „Meine Maxime ist, dass wir am nächsten Sonntag gegen 1860 München spielen.“