Powell macht Druck auf Syrien

Der US-Außenminister verzichtet bei seinem Besuch in Damaskus auf Kriegsdrohungen, macht aber deutlich, dass er Zusammenarbeit erwartet

aus Damaskus KRISTIN HELBERG

7 Minuten hatte der US-Außenminister in Syrien Zeit für Journalisten, 40 Minuten nahm er sich für die anschließenden Gespräche mit Präsident Baschar al-Assad und Außenminister Faruk al-Schara. „Ich bin gekommen, um Diplomatie zu betreiben“, stellte Colin Powell klar, „das Thema Krieg oder Drohungen steht nicht zur Debatte.“ Gleichzeitig sprach er von einer „völlig neuen Situation“ im Nahen Osten: dem Ende des Regimes von Saddam Hussein im Irak einerseits, der Ernennung von Abu Masen zum palästinensischen Ministerpräsidenten und der Vorstellung der Road Map als ein möglicher Weg aus der Krise andererseits. Es seien also zwei dynamische Entwicklungen im Gange, sagte Powell. Entwarnung und guten Willen signalisierte er, verbunden mit einer eindeutigen Botschaft: Wir haben die Rahmenbedingungen verändert, ihr habt die Wahl, mit uns zusammenzuarbeiten oder nicht.

Mehrfach hatte das syrische Außenministerium in den vergangenen Wochen betont, nicht die USA und Syrien hätten Probleme miteinander, sondern Israel versuche, das an sich gute Verhältnis der beiden Länder zu stören, um den Druck auf Damaskus zu erhöhen. Wo auch immer er letztlich herkommt, der Druck ist da. Und die Syrer müssen sich überlegen, wie sie damit umgehen wollen. Drei Punkte stehen auf der syrisch-amerikanischen Agenda ganz oben, aus US-Sicht werden daraus drei Forderungen: Sicherung der Grenzen zum Irak, damit kein Saddam-Anhänger über Syrien entkommt, Verzicht auf die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen, ein Ende der Unterstützung radikaler Palästinensergruppen.

Der erste Konflikt scheint weitgehend beigelegt, die Grenze ist seit Wochen geschlossen. Sollten sich Iraker in Syrien versteckt halten, ist es unwahrscheinlich, dass die Regierung davon weiß – schließlich waren beide Länder seit langem verfeindet und Assad wäre schlecht beraten, sich auf diese Weise Probleme ins Land zu holen. Was die Massenvernichtungswaffen betrifft, gibt es bislang keine Beweise, dass Syrien über chemische, biologische oder nukleare Materialien verfügt. Damaskus weist die Vorwürfe zurück.

Der dritte Punkt ist das Kernproblem. Syrien unterstützt mehrere radikale Palästinensergruppen, einige unterhalten Büros in Damaskus, darunter Hisbullah, Hamas und Islamischer Dschihad. Nach seinem Treffen mit Präsident Assad sagte Powell, Syrien habe bereits einige Schließungen vorgenommen. Um welche Büros es sich handelt, ist unklar. Die Syrer betonen, es handle sich bei den Büros um Informationsstellen. Sie hätten das Recht auf freie Meinungsäußerung, „das wäre in den USA nicht anders“, meint Bouthaina Shaaban, Sprecherin des Außenministeriums. Ursprung des Konflikts sind verschiedene Definitionen von Terrorismus. Während Organisationen wie Hamas und Hisbullah in Syrien als Widerstandsbewegungen gelten, bezeichnen die Amerikaner sie als terroristische Gruppen.

Die syrische Regierung bewegt sich auf einem schmalen Grat, wenn sie den Amerikanern entgegenkommen will. Sie könnte die Arbeit der palästinensischen Organisationen einschränken und die Büros tatsächlich zu reinen Informationsstellen machen, vermuten Oppositionelle in Damaskus. Sie ganz zu schließen, wird Ärger und Unverständnis in der Bevölkerung auslösen. Deswegen könnte Assad diesen Schritt an eine Bedingung knüpfen: dass Israel von den seit 1967 besetzten Golan-Höhen abzieht. Die USA werden auf eine solche Forderung nicht eingehen. Zu lang ist der Hebel, an dem sie inzwischen sitzen und mit dem sie den Druck auf Syrien beliebig erhöhen können.

Die beiden Nachbarn Irak und Libanon spielen dabei eine entscheidende Rolle. Der Irak ist für Syrien ein wichtiger Exportmarkt und Erdöllieferant. Geschäfte mit Bagdad werden in Zukunft nur mit Washingtons Segen laufen, machte Powell klar. Den Libanon, den er ebenfalls besuchte, sähe der Außenminister gerne „unabhängig“, das heißt frei von syrischen Truppen. Diese waren 1976 mit der Zustimmung der USA, Europas und der Arabischen Liga im vom Bürgerkrieg zerrütteten Libanon als Ordnungsmacht einmarschiert. Bis heute übt Syrien dort einen großen Einfluss aus. Powell erwähnte jetzt eine im US-Kongress verabschiedete Vorlage, die die Anwesenheit der syrischen Soldaten im Libanon als illegal bezeichnet. Eine weitere Möglichkeit, Sanktionen gegen Syrien zu verhängen.