Die Leute wollen Politiker, die so sind, wie sie sind

Morgen wählt Hamburg eine neue Bürgerschaft. Den nächsten Bürgermeister werden CDU oder SPD stellen, die möglichen Koalitionspartner sind FDP oder GAL. Heute im taz-Interview über Schill und das Phänomen Ole, Visionen und Mehrheiten: CDU-Bürgermeister Ole von Beust

„Dass Herr Lange Probleme hatte bei der Kita-Politik, war nicht die Verantwortung der CDU“„Die SPD hat bis heute ihr strategisches Problem nicht geklärt, dass sie nur die Nummer zwei ist“

Interview: PETER AHRENS
und SVEN-MICHAEL VEIT

taz: Sie sind der erste deutsche Ministerpräsident, dem es gelingen dürfte, innerhalb von zwei Jahren die Stimmenzahl seiner Partei fast zu verdoppeln. Wie haben Sie das gemacht?

Ole von Beust: Die Leute wollten vor zwei Jahren den Wechsel, haben das aber damals der CDU alleine nicht zugetraut und gesagt, die brauchen einen Partner. Darum haben viele Schill gewählt, von denen jetzt viele zur Union gewechselt sind, weil sie es nun der CDU zutrauen. Zudem scheinen es die Leute mir anzurechnen, dass ich nicht so am Amt zu kleben scheine wie andere. Die Entlassung Schills und später die Neuwahlentscheidung sind ja mit dem gewissen Risiko verbunden, das Amt zu verlieren.

Das bezweifeln wir. Sie haben Ihre Koalitionspartner in eine tödliche Umarmung genommen, zur Neuwahl haben Sie sich erst entschlossen, als allen in der Stadt klar war: Es geht so nicht mehr. Und als das Risiko nur noch gering und die Sympathiewerte für Sie hoch waren.

Na, ja, der Rauswurf von Schill war ja keine kalkulierte Entscheidung, sondern die Reaktion auf den Erpressungsversuch Schills. Zuvor hatte er zwar seine Ausbrüche wie bei der Bundestagsrede, aber in der Tagespolitik war er durchaus kalkulierbar. Und mit der Neuwahlentscheidung hatte ich gezögert, weil ich dachte, die Partei Rechtsstaatlicher Offensive bekommt ihre internen Verwerfungen noch in den Griff. Als das nicht mehr der Fall war, musste ich handeln.

Dennoch lädt sich der Unmut über diesen Senat bei den Koalitionspartnern ab, und Sie profitieren davon. Mehr als zwei Drittel in Hamburg sind mit der Arbeit des Senats unzufrieden, Sie persönlich aber stehen in den Umfragen glänzend da.

Wenn man nur nach der Arbeit der CDU-Senatoren fragen würde, wäre der Grad der Zufriedenheit wahrscheinlich noch erheblich höher. Das liegt aber nicht daran, dass ich die anderen an die Wand gedrückt hätte. Dass Herr Lange Probleme hatte bei der Kita-Politik, war nicht die Verantwortung der CDU.

Ihre Koalitionspartner haben die Schlüsselressorts Bildung, Verkehr und Innere Sicherheit vergeigt, und der Bürgermeister trägt keine Verantwortung?

Es war ja nicht meine Idee, die Ressorts entsprechend zu verteilen. Die FDP wollte unbedingt die Bildung und Schill selbstverständlich die Innenpolitik. Es war keine geplante Geschichte, dass ich am Ende als Sieger dastehe: Was im Nachhinein wie Kalkül aussieht, ist ja oft überhaupt nicht so geplant.

Sie stehen als Person auch so gut da, weil ein Großteil der Medien Sie mit Samthandschuhen anfässt. Welchen Anteil hat die Springer-Presse an Ihrem Erfolg?

Generell behandeln die Medien denjenigen gut, der sich für das Medium gut verkaufen lässt. Es ist zu einfach zu sagen: Weil die Bild-Zeitung mich gut behandelt, werde ich auch gewählt. Damit würde man die Leute unterschätzen. Es gibt außerdem auch Beispiele, dass Leute von den Medien geliebt wurden und trotzdem Wahlen verloren haben: mein SPD-Vorgänger Henning Voscherau 1997 zum Beispiel.

Wie erklären Sie sich dann das „Phänomen Ole“, das Ihre Partei zum Programm erkor?

Ich glaube, die Leute gehen eher nach Authentizität. Selbst wenn Sie eine rhetorische Granate sind, nützt es Ihnen nichts, wenn die Leute das Gefühl haben, das ist nicht echt. Das gilt im normalen Leben genauso wie in der Politik. Man mag eher die Leute, die keine Rolle spielen, sondern so sind, wie sie sind. Und ich habe schon das Gefühl, mich im Amt nicht grundlegend verändert zu haben.

Wenn Sie nach der Wahl weiterhin Bürgermeister sein sollten: Was haben wir dann inhaltlich von diesem Senat zu erwarten?

Das Konzept der Wachsenden Stadt werden wir weiter entwickeln: Großprojekte wie Airbus, den Schwerpunkt Luftfahrt, Förderung des Standorts für Wissenschaft und Life-Science-Branche, Hochschulreform, Entwicklung der Hafen-City ...

Also alles was Ihr Herausforderer Thomas Mirow erdacht hat.

Erst hat die SPD gesagt, das Konzept der Wachsenden Stadt ist falsch, jetzt sagt sie, es ist von ihr abgekupfert. Sie muss sich schon für eins von beidem entscheiden.

Eine Vision für die neue Legislatur haben Sie nicht parat?

Die Wachsende Stadt ist eine Vision.

Na, die kennen wir ja schon.

Sie muss noch viel bekannter werden. Aber den großen Wurf wird es vor der Wahl nicht geben, Ich werde nicht wie Voscherau einst ein paar Tage vor der Wahl eine neue Hafencity aus dem Hut zaubern.

Also weiter so, nichts Neues?

Na, ja, mit Verlaub, wir haben ja auch erst zwei Jahre regiert, und nach zwei Jahren zu sagen, jetzt lasse ich mir einen neuen Knaller einfallen, das ist kein Maßstab, um seriöse Politik zu machen.

Nach den Umfragen hat die CDU die Chance auf die absolute Mehrheit. Wenn sie die nicht bekommt – was dann?

Die Chance auf die absolute Mehrheit ist groß. Und wenn es nicht klappt, ist der Wunschpartner die FDP. Das ist kein Geheimnis. Die Perspektive, dass CDU und FDP dann über die 50 Prozent kommen, ist gut.

Wenn die FDP draußen bleibt, brauchen Sie einen anderen Partner. Schwarz-Grün?

Bei aller Wertschätzung, die ich für den einen oder den anderen Grünen hege: Es würde in manchen Punkten sicherlich sehr schwierig werden. Die Frage ist: Was ist mit den wirtschaftlichen Großprojekten? Elbvertiefung, Airbus-Startbahnverlängerung, Gewerbeflächen, U-Bahn in die Hafencity, wo die Grünen überall dagegen sind. Da würden wir aneinander geraten.

Mit der SPD hätten Sie solche Probleme nicht. Also große Koalition?

Programmatisch haben Sie recht. Nur: Die SPD hat bis heute ihr strategisches Problem nicht geklärt. Sie hat noch nicht akzeptiert, dass sie nur die Nummer zwei ist. Aus ihrer Sicht ist es immer noch ein Betriebsunfall und eine große Ungerechtigkeit, dass sie 2001 abgewählt worden ist. Die Gefahr der großen Koalition wäre, dass sie aus Sicht der Sozialdemokraten nur ein Übergang wäre, bis sie in ein paar Jahren wieder die ersten sind.

Aber mit Thomas Mirow als Partner wäre das doch machbar?

Es ist ja nicht so, dass in einer großen Koalition Mirow allein den Laden SPD schmeißt. Mit ihm selbst wäre es fachlich wahrscheinlich möglich. Aber die SPD als Partei würde daran knabbern und irgendwann alles versuchen, die Koalition wieder zum Brechen zu bringen. Daher kann sie nur die Ultima Ratio sein.

FDP-Bildungssenator Soltau hält die SPD zurzeit nicht für koalitionsfähig.

Am Anfang wäre sie es bestimmt. Da wäre die Erleichterung zu groß, wieder regieren zu können. Aber wenn diese Phase vorbei ist, dann würde es schwierig werden.

Müssen Sie nicht gar Angst vor einer absoluten Mehrheit haben? Dann wären für alles Sie selbst verantwortlich und hätten keine Partner mehr, auf die Sie die Schuld schieben können, wenn es schief läuft.

Nein, davor hätte ich wirklich keine Angst. Das wäre ja so, als wenn Sie Angst davor hätten, dass Ihre Zeitung die Auflage steigert.